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Tagebucheintrag 24/12.o7a

Der Schleim aus den Stirn­höhlen ist das erste mal seit eini­gen Tagen deut­lich auf Rück­zug. Kaum etwas kann der Laune und Stim­mung so gut tun! Die eisige Kälte im Nieren­bere­ich und den Füßen, egal wie eingepackt: passé. Gibt nichts genialeres.

Tut auch dem Kopf gut, wenn die Energie wieder langsam zurück­kommt. Die let­zen Tage hab ich mich nur im Kreis gedreht. Has­se das, wenn sich zu viele Gedanken im Kreis drehen und kein einziger fest­ge­hal­ten und gedacht wer­den kann. Ich schiebe es jet­zt mal auf den Schleim in den Stirn­höhlen und die ganzen Gänge hin­unter in die Nase und die Bronchien. Jet­zt ist das vor­bei, glück­lich.

Freude ob des nicht leeren Briefkas­tens
Schön schließlich auch, dass die Postler (und Post­lerin­nen, bei mir ein ‘Postler’) auch am 24.12. das Kastl befüllen, obwohl Fen­stertag und der dazuge­hörige Vor­mit­tag zur so genan­nten Stillen Nacht. Eine kar­tonierte Brief­sendung, ger­adezu wie ein Geschenk!
Hat­te darauf gehofft, dass sich das aus­ge­ht. Hat­te die 2 DVDs von thalia.at erwartet, dh. erhofft, dass diese zwo DVDs noch vor den Feierta­gen ein­tr­e­f­fen. Bre­ites Grin­sen in meinem Gesicht, als diese kar­tonierte Brief­sendung im Kastl auf­taucht. 🙂

Nope, nicht die DVDs. Das Qua­si-Geschenk am 24/12 kömmt nicht von thalia.at son­dern per Ger­mi­nal Ver­sand­buch­hand­lung. Das PROKLA 149. Egal und auch schön. Selb­st bestellt ist bei­des.
Im Inhaltsverze­ich­nis – The­men­schw­er­punkt ist Glob­al­isierung und Spal­tung in den Städten – fällt mir auf, es gibt nicht nur das übliche Edi­to­r­i­al der Redak­tion son­dern darüber hin­aus von der Redak­tion ange­hängt noch “Zu den beson­deren Pro­duk­tions­be­din­gun­gen dieses Heftes”.

Tja, die Augen­brauen ange­hoben, neugierig geblät­tert, gle­ich gele­sen. Worum geht’s?

Dieses Heft ist insofern unter beson­deren Pro­duk­tions­be­din­gun­gen ent­standen, als mehrere unser­er Autoren mit strafrechtlich­er Ver­fol­gung kon­fron­tiert waren.

Ja, der glob­ale war on ter­ror, nicht gegen den inter­na­tionalen Ter­ror­is­mus son­dern jen­er – schnell ein­mal unter der sel­bige Klam­mer verkaufte – Ter­ror­is­mus gegen den “Feind im Inneren”; vul­go ‘Bürg­er’. Der staatliche Ter­ror des Überwachungsstaates. Siehe oben rechts zur aus­tri­arkischen Erschei­n­ungs­form.
Ich habe das grim­mige Gefühl, wir ste­hen hier immer noch rel­a­tiv am Anfang ein­er Dynamik, die unser aller Leben in den näch­sten zwei, drei Jahrzehn­ten mas­siv bee­in­flussen wird.

Stille Tage, Stille Nacht
Nichts für ungut :-), ‘ja genau’. Schon lange nicht mehr nur Hohetage des Kon­sums son­dern auch des Kon­sumzwangs. Aber die Bevölkerung ist wider­ständig und kon­sum­iert zu wenig im Angesicht der Vor­gaben der Experten und Inter­essensvertreter. Das, obwohl die Lohn­ab­schlüsse doch ange­blich sooo hoch waren, für die Wirtschaft zu hoch. Laut der sel­bi­gen Experten und Inter­essensvertreter zumin­d­est.
Macht nix. Die Infla­tion grassiert trotz­dem, auch ohne aus­re­ichen­den Kon­sum.

… jet­zt bin ich vom The­ma ab…

Ich liebe diese Tage ja. Ganz ohne religiöse oder kul­turelle Unter­but­terung. Die Feste und Feiern hat es für mich zulet­zt als Kind gegeben, daran kann es nicht liegen. Und damals war Wei­h­nacht­en bere­its mehr hohl als schön, mehr beschissen als recht. Nochmals, nichts für ungut. Vie­len bedeutet es viel, euch
ALLEN EIN SCHÖNES FEST und schöne Feiertage.

Ohn’ hierin einen Wider­spruch zu meinen, beste­he ich halt drauf: fuck off mit dem Scheiß, wenn das uni­ver­sal verpflich­t­end sein soll. Die Erwartung­shal­tung, da mit­machen zu müssen. Sich­er nicht.
Viel zu viele, die das has­sen. Viel zu viele, denen das nicht ist. Viel zu viele, die das nicht haben kön­nen und höch­stens lächeln, wenn der kul­turelle Druck bei ihnen angreift, sich doch feier­lich freuen zu sollen.
Nope, ‘lass mi anglah­nt mit dem Scheiss’ muss neben den tat­säch­lich glück­seli­gen Bescherun­gen auch möglich sein. Bei­des ist Real­ität.

Stille = Entschle­u­ni­gung
Es liegt in der Luft, in der mich umgeben­den, die stillen Tage. Nicht in der Beleuch­tung der Straßen und Fen­ster, nicht in der offiziellen Kul­tur, aber in den Details der direk­ten Umge­bung.

Am Gang im Stiegen­haus sind die alten eis­er­nen Git­ter vor manchen Woh­nungstüren zuge­zo­gen und geschlossen. Dort näm­lich, wo die pol­nis­chen Gas­tar­beit­er wohnen. Sie fahren über die Feiertage natür­lich ’nach Hause’.
MK ist um diese Tage auch aus der gemein­samen Woh­nung­shöh­le ins Großmüt­ter­liche Warschau ent­flo­gen. Die einzi­gen Fix­tage des Jahres, da ich die Woh­nung ganz allein für mich habe, obwohl, auch das ist nach eini­gen Jahren heuer mal anders.

Der Blick aus den Fen­stern auf die Straße wirft etwas von der all­ge­meinen Stille zurück. Es sind so viele Park­plätze frei wie son­st nur im August. Nur dass das in alles ein­gesick­erte kalte Grau nicht zum Licht des Hochsom­mers passt.
Der Inter­net- und Egoshooter­laden ‘yousef’ gegenüber ist nicht vol­lkom­men leer, erin­nert aber auch nicht im min­desten an das übliche lebendi­ge Treiben.
Schräg gegenüber, die WG mit den jährlich wech­sel­nden Sil­hou­et­ten, aus deren Fen­ster fast immer Licht dringt, min­destens aus der Küche, die so wie in fast jed­er WG der Mark­t­platz der Woh­nung ist, auch dort ist alles fin­ster.
Schräg gegenüber in die andere Rich­tung etwas weit­er oben, dort wo seit Wochen das blink­ende Licht eines wei­h­nachtlich stim­men sol­len­den Sternes samt aggres­siv leuch­t­en­dem Wei­h­nachts­mann dazu zwingt, die eige­nen Fen­ster­rol­los zuzu­machen, weil es son­st der­art ins Zim­mer blinkt, also dort drüben ist auch aus. Dahin­ter liegt ein Kinderz­im­mer, die junge Kle­in­fam­i­lie dürfte dieser Tage allerd­ings auch bei einem Fam­i­lien­teil älter­er Gen­er­a­tion zu Besuch sein.
So ziem­lich alle Fre­unde und Bekan­nte sind in den näch­sten Tagen nicht erre­ich­bar, kaum jemand über­haupt in Wien.
Die job­mäßi­gen Aktiv­itäten sind für gut zwei eher drei Wochen einge­froren. Die feeds gewiss­er abon­niert­er Seit­en und Blogs schlafen seit Tagen immer mehr ein. Das Stim­mengewirr der Stadt und jenes des virtuellen Raums senkt sich immer mehr ab.
Im Hin­terkopf wirkt sich das Wis­sen aus, dass, würde ich raus­ge­hen und irgen­det­was essen wollen, kaum ein Laden, kaum eine Gast­stät­ten offen hätte, das kaum Leute auf der Straße rum­laufen wür­den. Sog­ar der Strich ist höch­stens nur mehr eine Prov­inzver­anstal­tung.
Duschen kann men­sch egal zu welch­er Uhrzeit, immer ordentlich­er Druck aus der Brause.

Alles zusam­men: entschle­u­nigte stille Tage. Im Jahres­rhyth­mus ein mir extrem wichtiges Rit­u­al. Bestand­sauf­nahme, dur­chaus schwierig. Konzen­tra­tion und Selb­st­bes­tim­mung.

Die Rück­kehr zu fm4
Ein Fest ist 24/12 für mich den­noch irgend­wie. Vor­freude im Jahres­rhyth­mus wegen der lieb- und wert­ge­wonnenen Fix­punk­te auf fm4. Meine jährliche Rück­kehr ’nach hause’. You’re at home baby.
Spätestens seit 9/11 ((Im Umfeld und danach konnte/mochte ich fm4 nicht mehr hören. Die Blu­me­naus waren ja sehr stolz darauf, wie der Sender mit dem Ereig­nis umge­gan­gen ist. Für mich war es der endgültige Bescheid, dass ich damit nichts bzw. nichts mehr anfan­gen kann/mag.)) und sich­er auch alters­be­d­ingt gilt das für mich schon lange nicht mehr, das you’re at home baby. Aber das jährliche Zusam­men­tr­e­f­fen von Vota­va und Willi Rese­tar­its on air! Mit den traumhaften Dialo­gen, den Anrufun­gen der Her­ren Ivaniewicz, Mr. Bot­tle­neck und Van ‘The Man’ Mor­ri­son, … ich liebe es.

In fün­fzehn Jahren wer­den wir Mitschnitte wie Klein­ode han­deln, liebevoll von der kul­turellen und zeit­geschichtlichen Bedeu­tung reden und uns erin­nern. Ein bißchen mit Frosch im Hals, so wie bei allen schö­nen großen Din­gen, die nicht groß daher kom­men und erst mit der Zeit ihre Bedeu­tung für ganze Men­schen­grup­pen ent­fal­ten. (Dh., in fün­fzehn Jahren, hof­fentlich hat sich das nicht geän­dert, dass Vota­va und Dr. Kurt Ost­bahn auf fm4 Trost und Rat sin­gen, lachen und erzählen.)

in appre­ci­a­tion:

httpv://www.youtube.com/watch?v=JywEgTm4HAA

Dann das Wei­h­nacht­en ohne Fre­unde. Und schließlich der Fix­punkt schon so einiger Jahre, die sich da ange­sam­melt haben. Die Stille Nacht mit Fre­und Heinz Reich. Ein jahre­langer Fre­und , ich sag mal, im Sinne kul­tureller Ver­bun­den­heit. Über das Träger­medi­um Äther.
Shout outs!

Stille Nächte mir Heinz Reich
Diese Nacht ist übrig geblieben und ste­ht also stel­lvertre­tend für, sie ist mir Sym­bol für diese Nächte vor ich glaube sechs bis acht Jahren, als Heinz Reich recht oft die … keine Ahnung wie das hieß, die Son­ntag Nächte ab eins in der Früh mod­erierte, gestal­tete, verza­uberte.

An zwei prä­gende Bilder erin­nere ich mich im Beson­deren.
Damals noch in ein­er anderen, in mein­er Woh­nung drei Stock­w­erke über der bre­it­en, befahre­nen und beleuchteten Straße, der Blick uner­messlich weit ins Wiener Beck­en hin­unter, Rich­tung Anninger. Regelmäßiger Leben­srhyth­mus bis 4.00 in der Früh, die besten und pro­duk­tivsten Stun­den zwis­chen 22.00 und 3.00, den Rück­en zur Nacht.
Musik. Allein in der nur durch den Bild­schirm selek­tiv erhell­ten Woh­nung. Pro­to­typ­isch für die Stim­mung dieser Nächte und im weit­eren dieser ganzen Leben­sphase: das geniale ‘Nachtschat­tengewächse’ der Wax­os.
Pro­to­typ­isch für mich und in mein­er Erin­nerung: die Stimme und das Sprechen von Heinz Reich.

Bei­des – manch­mal gab es das auch zusam­men – ste­ht in mein­er Erin­nerung unge­heuer­lich wirkungsmächtig für diese Span­nung zwis­chen ‘allein sein’ und der Ver­bun­den­heit mit anderen in der Stadt, die zum sel­ben Zeit­punkt an ander­er Stelle auch ‘allein sitzen’ und alle durch dieses unsicht­bare Pulsieren der Stadt ver­bun­den. Durch die Ansicht der Straßen­later­nen. Durch die Musik und das Lebens­ge­fühl. Durch den Äther und die Schwingun­gen, das Tim­bre der urba­nen Nacht. Für mich hat­te das den pursten Aus­druck im Tim­bre der Stimme Heinz Reichs und in dem, was er sprach.

Das andere, das noch inten­si­vere Bild: ich sitze im Auto. Damals hat­te ich noch eines in der ersten Zeit, nach­dem ich aus Kärn­ten nach Wien zurück gekom­men war. Ich saß dann irgend­wann nach eins oder zwei in der Früh im Auto, bere­its eingeparkt, meist mit Blick auf die eige­nen Woh­nungs­fen­ster drei Stock­w­erke über mir, Per­spek­tiven­wech­sel also.
Vom dama­li­gen Job als Kell­ner im Schwu­len­restau­rant im 5. Hieb zurück. Der typ­is­che Stu­den­ten­job. Immer so eine Vier­tel­stunde nach­dem ger­ade abgerech­net und zuges­per­rt haben. Heim­fahrt die Wied­ner Haupt­straße rauf, über den Matze, Tri­ester usw. fm4 im Radio. Heinz Reich. Freilich nicht immer, nonaned, aber daran erin­nere ich mich.
Heinz Reichs Tim­bre erzählt ger­ade. Etwas. Irgen­det­was. Spielt was, erzählt was. Ich schon eingeparkt, bleib sitzen weil: ich will das Autora­dio nicht abdrehen. Hab’s auch nicht eilig. Das Lied noch, die Ansage noch. Alles in der Schwingung der Nachtschat­tengewächse.

NACHTRAG!!!
Sie haben keinen Van “the Man” gespielt!?! Freilich, die Sendung war wun­der­bar wie immer. Ich hat­te manch­es von dem, was es so her­rlich macht, schon ganz vergessen. Das gegen­seit­ige Reinre­den, immer wieder sich bestäti­gend. Das Wet­teifern im und um den Sprach­stil. Das Lachen. Das her­rliche gemein­same Sin­gen und Drübersin­gen. Und natür­lich war die Hawai­ig­i­tarre dabei.

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