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Der Eichinger-Aust-Komplex

Rüdi­ger Such­s­land’ Filmkri­tik zur Bernd Eichinger Pro­duk­tion “Der Baad­er-Mein­hof-Kom­plex”. In tele­po­lis.

soll heißen *räus­per*:

Der sowieso empfehlens-
und immer lesenswerte
Rüdi­ger Such­s­land
mit sein­er
beson­ders lesenswerten
und
vielschichtig inter­es­san­ten Kri­tik
Ab heute wird zurück­ge­filmt
anlässlich des Films
Der Baad­er-Mein­hof-Kom­plex
aber vielmehr zum The­ma
Der Eichinger-Aust-Kom­plex”,
seit heute im tele­po­lis,
dem sowieso wichtig­sten Online-Medi­um.

Nur ein Zitat, im fein lakonis­chen Such­s­land-Ton:

Nach­dem die RAF bish­er kein The­ma für den Schu­lun­ter­richt war, wird sie es nun wer­den. Der Film hat das Zeug zum Schulpflicht­film, weil er genau jen­er Großen Koali­tion der Geschmack­losigkeit in Kul­turfra­gen entspricht, jen­er christ-sozialdemokratis­chen Vorstel­lung von “jugendaffinem” Pro­gramm, dass “die Jugendlichen” “da abholt”, wo sie schon vor zwanzig Jahren nicht mehr standen. Zur Ein­nerung: Eichinger wird 60, Aust ist schon 62.

… äh, vielle­icht doch noch ein zweites:

Baron von Mir­bach, Sohn des in Stock­holm ermorde­ten deutschen Mil­itärat­tachees, sagt, die Opfer kämen zu wenig vor, Hans-Jochen Vogel sagt, der Staat komme zu wenig vor und wenn, dann falsch, Aust sagt, warum nicht alles vorkom­men kann, Gedeck sagt, wie sie sich vor­bere­it­et hat, und Bleib­treu sagt gar nichts. Aber kein­er redet über das, was vorkommt, und ob das richtig ist.

Ja, der Film wird auch besprochen. Aber vielmehr ist es ein Text über die Fab­rika­tion des Kul­turellen Gedächt­niss­es. Und somit um einiges inter­es­san­ter und span­nen­der.
Der Film selb­st ste­ht also nur am Rand, ver­di­en­ter Maßen, höch­stens am Rand, wie Such­s­land urteilt.

Aber selb­st lesen.
Über­haupt, Such­s­land lesen. Tele­po­lis lesen.  😉

dazu noch, weil ich s so passend zu Such­s­lands Text finde:

Idolatrie ((Der Begriff der Idolatrie enthält einen Vorwurf, der schon im Wortgebilde selber angelegt ist. Der Vorwurf richtet sich an jene, welche Bilder verehren (Latreia), aber die falschen Bilder (Eidola). Er kann auch bedeuten, dass es überhaupt falsch ist, Bilder zu verehren oder nur zu benutzen. Der Begriff des Idols (Eidolon) hatte eine lange Geschichte in der griechischen Philosophie hinter sich, als er in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) auftauchte. Er konnte Trugbild, Phantom, auch unsere inneren Bilder bezeichnen, die wir so schwer festhalten können. Aber im alten Testament sind damit die Kultbilder der anderen Stämme gemeint, die aus totem Stoff waren und die vielen Götter wiedergaben, die aus jüdischer Sicht keine lebenden Götter, sondern leere Götzen waren. Die Verehrung von plastischen Bildwerken war Beweis genug, dass es sich um falsche Religionen handelte, die vom wahren Gott nichts wussten. Der Vorwurf zielte also darauf hinaus, dass der Gebrauch von toten Bildern eine Fälschung des unsichtbaren Gottes war. Paulus führte denn auch in seinen Briefen den Begriff Idolatrie selber ein, mit dem er die anderen, die Heiden brandmarkte: sie blendeten sich mit trügerischen Bildern (1. Korintherbrief 10.14). In der lateinischen Übersetzung wurde daraus: idolorum cultura, vor welcher sich die Brüder in Christo hüten sollten (der lebendige Christus war das einzige zulässige Bild Gottes). Wahrscheinlich wurde der Begriff erst wieder in der Zeit der Reformation reaktiviert, als die Katholiken seine Opfer waren, die unter das protestantische Verdikt des Bilderdienstes (des “Götzendienstes”, wie Luther den Begriff Paulus übersetzt) fielen: der Vorwurf diente der Polemik gegen die “anderen”, die im Irrtum waren, während man selber die Wahrheit besaß. Der Begriff Idolatrie ist also zutiefst religiös aufgeladen.))

Da finde ich ganz passend, also ich muss da noch zwei Textpas­sagen zitieren, allerd­ings aus einem bildthe­o­retis­chen Auf­satz. Hans Belt­ing. Ja, da gilt mein­er­seits auch, vielmehr noch: Hans Belt­ing lesen!
Wie auch immer, der Auf­satz von Belt­ing lautet “Idol­a­trie heute” (zu find­en in “Der zweite Blick”); und daraus jet­zt zwei Pas­sagen.

zur Erziehung zur Idol­a­trie:

Die Per­fek­tion der Dinge habe die Scham ihrer Erfind­er aus­gelöst, nicht eben­so per­fekt und eben­so vielfältig zu sein. Aber er (Anmerk.: Gün­ther Anders) kon­nte noch nicht wis­sen, dass in der postin­dus­triellen Rev­o­lu­tion die Gesellschaft immer weniger materielle Dinge, und immer mehr Infor­ma­tio­nen pro­duzieren würde, wom­it sich der Schw­er­punkt vom Ding zum Bild noch ein­mal ver­schob und die Bild­pro­duk­tion zur wichtig­sten Ware wurde: die Infor­ma­tio­nen wur­den begehrter als die Dinge. Bilder wer­den heute als Infor­ma­tio­nen kon­sum­iert, die dem Pub­likum die Mühen der Schrift erspart: Infor­ma­tio­nen mit der Auf­forderung zur stillschweigen­den Idol­a­trie.

und zur wirtschaftlichen Macht hin­ter der Bild­pro­duk­tion:

Da gibt es aber mit­ten im ange­blich selb­stläu­fi­gen und undurch­schaubaren Bilder­strom eine zweite Szene, die ihre Präsenz so gerne ver­ber­gen möchte. Es ist die Szene der wirtschaftlichen Macht, welche die ein­stige Szene der poli­tis­chen Macht in den Hin­ter­grund drängt. Die Leit­bilder, die sie pro­duziert, sind deshalb die Iko­nen des Kon­sums und nicht mehr die Iko­nen der poli­tis­chen Ideen oder Ide­olo­gien.

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