Kategorien
FestungEuropa imagGemeinschaften politisch prekär Soziologie

Zigeunerschnitzel

just for the records, ich plädiere dafür, das Zige­uner­schnitzel weit­er­hin “Zige­uner­schnitzel” zu nen­nen.

ok?

Wir müssen doch nicht ern­sthaft bre­it darüber debat­tieren, ob diese Beze­ich­nung ras­sis­tisch ist! Nicht im ernst, oder? Genau, und dann vielle­icht noch abstim­men, wer sich in der Debat­te nach Ansicht der “com­mu­ni­ty” wack­er­er geschla­gen hat und davon die Antwort auf die Frage ableit­en, ja?
Sollen die Pro’s und Con’s sich doch im web2.0 präsen­tieren und wir voten dann. Klick klick macht das kri­tis­che Volk.

Nääää, ob ein Aus­druck ras­sis­tisch ist oder nichts hat latür­nich nichts damit zu tun, ob irgen­deine Mehrheit dafür oder dage­gen gefun­den wer­den kann. Nope, hat ja nicht ein­mal was damit zu tun, wer bess­er schön­er schlüs­siger strin­gen­ter lauter oder nach­haltiger argu­men­tiert, scherzt, echauffiert oder blög­gt.

Tell you what, “Ras­sis­mus ist ein objek­tives Phänomen”. 😯
Soviel mal meine Behaup­tung. ((Nachge­tra­gen: hier ein aktueller Beitrag aus der Blo­gosphäre mit dieser Stoßrich­tung der Behaup­tung, von Jana Her­wig “Warum mir das Aida Logo auf­stößt”. Ich denke zu min­d­est, dass hier eine syn­onyme Stoßrich­tung gemeint ist, ver­ste­he aber das “wider eine pos­i­tivis­tis­che Def­i­n­i­tion” nicht. “Objek­tives Phänomen” und “wider pos­i­tivis­tis­che Def­i­n­i­tion” scheinen sich doch zu wider­sprechen und ich bin mir daher nicht sich­er, ob meine Annahme der syn­ony­men Stoßrich­tung nicht eine Unter­stel­lung ist.))

Ja. Schöne Scheiße, gell? ((doch doch, ließe sich viel bess­er for­mulieren, klar. Ein Begriff, der objek­tive Ver­hält­nisse meint. Eine Begriff, der als Def­i­n­i­tion objek­tivier­bar evi­dentes abgrenzbar macht. Sog­ar ein Begriff, dem nicht nur Deskrip­tion son­dern auch ein guter Anteil Erk­lärung innewohnt. Alles müde For­mulierun­gen, schmecks. Ist ja trotz­dem wohl klar, was ich meine.)) Und wen das tat­säch­lich inter­essiert, die/der kann das ler­nen, über­prüfen, sich informieren, so wie sich Laien in – sagen wir – Perl bei Leuten mit diesem Knowhow und Erfahrung mit Perl informieren.
So wie Men­schen mit Inter­esse für Pho­tovoaltik neugierig auf das Wis­sen von Exper­tIn­nen sind. So wie Inter­essierte an der Sprache Man­darin sich daran machen wer­den, möglichst mit chi­ne­sis­ch­er Unter­stützung einen lan­gen Lern­weg auf sich zu nehmen. Freilich, Wis­sen kann men­sch sich kaum anle­sen, es muss “erar­beit­et” wer­den.

Men­sch kön­nte z.B. mal bei Zara vor­bei schauen oder Philipp Son­dereg­ger fra­gen, wenn men­sch an der langjähri­gen Erfahrung von Men­schen aus dem Feld inter­essiert ist, die das sog­ar auch noch – zusät­zlich – wis­senschaftlich auf­dröseln kön­nen.

Sowieso ein­er­lei. Es geht, zumin­d­est mag ich das nicht glauben, kaum darum, ob der “Mohr im Hemd” Begriff für eine tra­di­tionelle Nach­speise (oder eigentlich egal, ob tra­di­tionell oder nicht) ras­sis­tisch ist. Ist die Erde Rund? Ist sie älter als 6.000 Jahre? Ist Mar­tin Graf ein Nazi?
Ok, freilich, es erfreut auch manch­er Affi­ciona­dos Herzen zu debat­tieren, war Maradonas Hand­spiel beim berühmten “Hand Gottes”-Türl wirk­lich Hand oder nicht.

Realiter geht’s aber immer darum, find­en wir das cool, das “Hand Gottes”-Tor … im Kon­text dieser Welt­meis­ter­schaft, der Sit­u­a­tion, der Beteiligten, des Aus­nah­me­fuss­ballers Maradona … oder brin­gen wir Argu­mente ver­sus cool. (Foul ist Foul, Son­der­be­hand­lung, moralisch wider­lich, …)

Wie bew­erten wir kollek­tiv?
Wir, das ist beim Maradona-Goal eine dis­tanzierte unbeteiligte Dif­fusität. Ist ja auch schon ne Zeit her. Argen­tinier sind wir auch in der Regel nicht. Englän­der eben­so wenig (bzw. – sta­tis­tisch – in etwa “eben­so wenig”). Ja, Zeit macht nen Unter­schied. Herrschende Sicht. Ausle­gung. Inter­pre­ta­tion. …
Wie das die Englän­der heute sehen? Wie das die Englän­der damals sahen? Wie das die Englän­der am Spielfeld damals sahen? Mmh, macht wohl auf jeden­fall einen Unter­schied. Irgend­wie geste­hen wir denen, wahrschein­lich, eine andere Betrof­fen­heit zu.

Dem englis­chen Goalie in face-to-face Inter­ak­tion, wer würde da nicht – ihm gegenüber und gerne – zugeste­hen, ja, natür­lich ist Mohr im Hemd ein ras­sis­tis­ch­er Begriff für schwarzbraune Hasel­nuss­mehlspeis. Und Hand­spiel ist Hand­spiel.
Dem Peter Shilton gegenüber wär’s hohl, mit “ja aber” und “cool” und “genial” zu kom­men. Dem alten Shilton Peter gegenüber sitzend würd’ vie­len von uns vielle­icht sog­ar däm­mern, dass es dem möglicher­weise noch weh tut, dass so ein stin­knor­mal irreg­uläres Tor eigene Wikipedi­aein­träge hat. ((Hof­fentlich ist es den Beteiligten mehr wurscht als was anderes. Hier geht s jedoch nur um ein irreg­uläres Tor in einem Fuss­ball­spiel. Noth­ing more.))

Wen erhitzt eine ‘Tor oder nicht Tor’-Debat­te?
Ein­fache Antwort, den Tor. 😳 Etwas kom­pliziert­ere Antwort, “Ja, das ist jet­zt eine inter­es­sante Frage!
Wer echauffiert sich da dies­seits und ander­er­seits der Debat­te und warum?

Ich weiß ja – ehrlich ges­tanden – nicht mehr, wie es mir 1986 im Angesicht der tele­vi­sionell miter­lebten, damals noch nicht so genan­nten, “Hand Gottes” ging. (Obwohl ich mich an das Spiel ganz gut erin­nere, nur nicht an meine Reak­tion über das Hand­spiel.) Alles in allem und zumin­d­est für heute gültig ist, es geht mir am Arsch vor­bei.
Und zwar so etwas von …

Ich ver­steh auch nicht, warum es Vie­len schw­er fällt zu sagen – oder nur still abzu­nick­en – “ja klar ist das ras­sis­tisch” und dann weit­er im Tage­spro­gramm.!?
Selt­samer­weise ist das ja die umgekehrte Reak­tion, wie gegenüber den laufend krepieren­den Boots­flüchtlinge an den Rän­dern der Festung_Europa. Oder den in Lagern eingepfer­cht­en Asy­lan­tInnen (als hät­ten unsere jün­gere Geschichte “das Lager” nicht für alle Zeit markiert als NoNoNo!). Oder den EinEu­ro­Job­bern, die mit­ten in unseren Wohlfahrtsstaat­en zu einem eige­nen Wirtschaft­szweig aus­gear­beit­et wer­den. Oder den kor­rupten wie fach­lich dilet­tan­tis­chen Poli­tik­erIn­nen, die unsere Gesellschaft in aktivster Zusam­me­nar­beit mit ana­log dilet­tan­tis­chen und kor­rupten Medi­en­sys­te­men weit­er in die Scheiße reit­en. Oder oder oder …

Con­clu­sio
Ich hab’ per­sön­lich kein Prob­lem mit dem für sich genom­men lächer­lichen Begriff “Hand Gottes” und sein­er Anwen­dung für ein irreg­uläres Tor, das irgend­wann vor mehr als 20 Jahren als reg­ulär gegeben wurde. Wenn ich mich darüber erregte, würde ich doch eine ide­al­isierende Mess­lat­te an die gesellschaftliche Ver­anstal­tung “Fußball” anle­gen. Die wiederum reich­lich lächer­lich wäre.

Ich hab auch kein Prob­lem mit dem – klar, objek­tiv ras­sis­tis­chen – Begriff “Zige­uner­schnitzel”. ((Thxs an Klaus Wern­er Lobo, btw, für seinen aus­geze­ich­neten und wichti­gen Ein­trag “Warum ich Ras­sist bin”.))
Schließlich sind wir eine ziem­lich chau­vin­is­tis­che Gesellschaft und der Begriff dient im Ide­al­fall noch dazu, uns einen Spiegel vorzuhal­ten. Und stre­it­en und echauffieren hat auch sein gutes.

Freilich, ich hab leicht reden. Ich bin nicht Rom, nicht Sin­ti, nicht Peter Shilton …

9 Antworten auf „Zigeunerschnitzel“

Der bay­erische Wirtschaftsmin­is­ter Mar­tin Zeil (FDP) hat jüngst gefordert, die Beze­ich­nung “Neger” für ein Cola-Weiss­bier-Mis­chgetränk zu ver­bi­eten. Ich fordere, jede Auf­führung des ‘Zige­uner­barons’ von Johann Strauss ab sofort zu unter­sagen. Das fröh­liche Ver­mis­chen der Ebe­nen kön­nte auch noch andere lustige Durchgek­nalltheit­en zur Folge haben.

Natür­lich ist der Begriff ‘Zige­uner’, angewen­det auf eine Gruppe von Men­schen, ras­sis­tisch. Eine Kam­pagne der Bukarester Zeitung ‘Jur­nalul Nation­al’ forderte im ver­gan­genen Früh­jahr, die Roma nur noch ‘Zige­uner’ zu nen­nen. Ange­blich werde son­st das Image des Lan­des besudelt. Die rumänis­chen Stammtis­che waren von dem Vorschlag begeis­tert.

Beim Zige­uner­schnitzel liegt das Prob­lem aber nicht vorne, beim Begriff ‘Zige­uner’, son­dern hin­ten beim Schnitzel. So ist die Zahl der geschlachteten Schweine in Deutsch­land im ersten Hal­b­jahr 2009 um 758.000 auf ins­ge­samt 27,7 Mil­lio­nen Tiere gestiegen. Aber Massen­tier­hal­tung und indus­trielle Fleis­ch­pro­duk­tion ist nun ein anderes The­ma.

hoffe dass sich die Wiener und Paris­er beim Lesen der Speisekarte (Wiener-Paris­er­schnitzel) nicht diskri­m­iniert fühlen *g
Ganz zu schweigen alle Afrikan­er oder Afro-Amerikan­er bei der süssen Ver­suchung der ‘Negerschnit­ten’. Ist es frauen­feindlich oder sex­is­tisch wenn man ‘heisse Him­beeren’ oder ‘heisse Liebe’ bestellt, vielle­icht unanständig wenn man ‘Sex on the rocks’ trinkt ?Ist zwar generell ein guter Denkanstoss, würde aber doch ein biss­chen zu weit führen..

Will man Bewusst­seinsverän­derung in den Köpfen der Men­schen her­beiführen, muss man sehr umsichtig vorge­hen, bzw. sehr vor­sichtig damit umge­hen. Denn nie­mand von uns ist ver­mut­lich über per­sön­liche Kri­tik erfreut, schon gar nicht dann, wenn sie darauf abzielt, dass sich jemand für den Gebrauch von Beze­ich­nun­gen zur Rechen­schaft gezo­gen fühlen muss, von Begrif­f­en, die man nicht nur eben so gelehrt bekom­men hat, son­dern diese nach­weis­lich auch nicht aus ras­sis­tis­chen Motiv­en ver­wen­det. Viel mehr gilt es darauf zu acht­en, nicht besser­wis­serisch den anderen ins ras­sis­tis­che Eck zu stellen, son­dern bei ihm Empathie für jene zu weck­en, die sich zurecht betrof­fen, diskrim­miniert oder belei­digt fülen Es han­delt sich hier um einen zähen, laufend­en Prozess, bei dem für den Zeit­punkt der Erken­nt­nis des Einzel­nen Vorschriften nicht zielführend sind. Ähn­lich ver­hält es sich doch beim Ver­such, der Emanzi­pa­tion der Frauen gewalt­sam zum Durch­bruch zu ver­helfen.

Pos­i­tivis­mus:

Unter dem Begriff Pos­i­tivis­mus wer­den in der Philoso­phie Rich­tun­gen erfasst, die die Erken­nt­nis auf die Inter­pre­ta­tion „pos­i­tiv­er Befunde“ beschränken. Das Wort „pos­i­tiv“ wird dabei wie in den Natur­wis­senschaften gebraucht, in denen man von einem „pos­i­tiv­en Befund“ spricht, wenn eine Unter­suchung unter vor­ab definierten Bedin­gun­gen einen Nach­weis erbrachte.”

http://de.wikipedia.org/wiki/Positivismus

In der Ras­sis­mus-Debat­te wird gerne ein Nach­weis erbracht, indem man Per­so­n­en fragt “Haben Sie sich diskri­m­iniert gefühlt?” , “Sehen Sie hier eine Diskri­m­inierung?” und wenn kein­er ‘ja’ sagt, geht man davon aus, dass es nicht diskri­m­iniert.

M.E. ein abzulehnen­des Ver­fahren, daher sind wir wohl eher nicht syn­onym unter­wegs.

1. die aus­sage deines artikels unter­schreibe ich.

2. pos­i­tivis­tisch — Pos­i­tivis­mus:
ja, auch in der sozi­olo­gie gebräuch­lich (seit Auguste Comte) und aber im gebrauch ver­dammt dif­fizil, weil in vie­len nuan­cen und vari­a­tio­nen gebraucht (z.B. Wiener Kreis) und seit langem diskred­i­tiert.

Was ich in dem fall gemeint habe:
Ras­sis­mus ist eben kein imag­iniertes und rein sub­jek­tiv erfass­bares, beliebig deut­bares phänomen son­dern ein objek­tiv nach­weis­bar­er, über­prüf­bar­er gesellschaftlich­er sachver­halt, der in unzäh­li­gen konkreten tatbestän­den “fass­bar” wird, objek­tivier­bar ist.

Das, was wir als phänomen objek­tiv greifen kön­nen, weil es ein­deutig da ist, “das objekt”, das ist das “pos­i­tive”, das greif­bare, das in einem medi­um ver­fes­tigte … so wird “pos­i­tivis­tisch” u.a. in der sozi­olo­gie gebraucht.
Daher meine unklarheit und frage.

Mar­tin Graf muss es wohl heißen. Anson­sten find ich den Exkurs in die Fußball­his­to­rie als Erk­lärungsmuster für den All­t­agsras­sis­mus recht gelun­gen. Maradona war allerd­ings trotz­dem genial.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.