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Die Herbstlohnrunde und die Sorge ums Wirtschaftswachstum

Wird das The­ma ‘Lohn­runde’ in der Berichter­stat­tung irgen­deines Massen­medi­ums berührt, so lautet die die Mes­sage quer durch den Massen­me­di­en­monokul­turgemüsegarten:

Also mal ruhig ihr Lohn­ab­hängi­gen, nicht da vor­laut etwas ‘ver­lan­gen’, von dem ihr eh nichts ver­ste­ht, weil, wenn man euch mehr Geld ver­di­enen ließe, dann wär das für unser aller Wirtschaft nicht gut, und also geht das nicht so, wie ihr euch das vielle­icht in eur­er naiv-ein­seit­i­gen Sicht vorstellen mögt, und eigentlich, wenn ihr uns nur machen lasst und euch mit dem beschei­det was euch gnädig zuge­s­tanden wird, dann ist das in Wirk­lichkeit auch für euch bess­er.

Ver­brämt For­muliert wird diese Mes­sage etwa so

Wir brauchen Lohn­run­den der Ver­nun­ft. ((Beispiele gäbe es viele und wir ken­nen sie alle. Ich finde diesen hier ver­link­ten Debat­ten­beitrag ein­fach wun­der­bar symp­to­ma­tisch. Außer­dem, er ist vom Chefvolk­swirt der Deutschen Bank. Uuuhh uuh uh.))

Wie funk­tion­iert die Mes­sage?
Diese zen­trale und zu Grunde liegende Aus­sage behauptet dreier­lei:
Erstens stellt sie einen direk­ten Zusam­men­hang zwis­chen Lohn­ab­schlüssen und dem Wirtschaftswach­s­tum der Volk­swirtschaft her.
Zweit­ens wird dieser Zusam­men­hang auss­chließlich in eine Rich­tung gehend definiert, niedrige Lohn­steigerun­gen kom­men der Wirtschaft zu gute, hohe Abschlüsse schaden der öster­re­ichis­chen Wirtschaft, also der Volk­swirtschaft, also uns allen.
Drit­tens steckt in dieser Aus­sage eine klare Wer­tung. Lohn­ab­hängige sind Kinder. Es ist ver­ständlich, dass sie etwas “wollen”. Kinder wollen immer irgen­det­was, aber sie kön­nen die Kon­se­quen­zen noch nicht erfassen. Wir (Unternehmer, Wirtschaft­sex­perten, Poli­tik­er) müssen in größeren Zusam­men­hän­gen denken (Stan­dortwet­tbe­werb und so) und die Ver­ant­wor­tung – natür­lich auch für die Kinder – wahrnehmen. Wir han­deln dementsprechend ver­ant­wor­tungs­be­wusst im Sinne dessen, was das beste für unser aller Zukun­ft ist. Dad­dy küm­mert sich schon darum.

Dazu wie das funk­tion­iert, möchte ich ein knappe und schnelle Analyse des Ö1 Mit­tagsjour­nals vom 28. Sep­tem­ber 2007 anbi­eten.

Analyse des Mit­tagsjour­nals vom 28. Sep­tem­ber
Es begin­nt mit der Mel­dungsüber­sicht. An erster Stelle ste­ht freilich Bur­ma bzw. Myan­mar. An zweit­er Stelle fol­gt bere­its ‘Wie geht es der öster­re­ichis­chen Wirtschaft?’:
[Audio:mj_28092007_1_Uebersicht.mp3]

Gut. An diese Sprachregelung haben wir uns bere­its gewöh­nt. Der Begriff ‘Volk­swirtschaft’ ist unan­genehm, in ihm schwingt ganz etwas anderes und viel mehr mit, als im Begriff ‘Wirtschaft’. Der Zusatz ‘öster­re­ichis­che’ Wirtschaft macht umgekehrt wiederum klar, dass es sich um ein nationales Inter­esse han­delt.
Nein, wir reden schon lange nicht mehr von Volk­swirtschaft. Das hieße schließlich von Haushal­ten und Unternehmen, von Pri­vatwirtschaft und öffentlichen Gütern gemein­sam reden, von volk­swirtschaftlichem Nutzen oder Erfolg und nicht nur vom pri­vatwirtschaftlichen Nutzen.

Ver­stärkt wird der begrif­fliche Kniff dadurch, dass wir immer nur von der Wirtschaft reden, als hät­ten wir es mit ein­er Per­son zu tun. À la die Wirtschaft lei­det, die Wirtschaft sagt nein, die Wirtschaft wird das sich­er nicht hin­nehmen, die Wirtschaft ist gesund.
Durch diese Per­son­al­isierung eines – eigentlich – sozialen Sys­tems, das wir viel bess­er auch Wirtschaftssys­tem nen­nen kön­nten, wer­den gültige Geset­zmäßigkeit­en ver­bor­gen und andere behauptet. Kann ‘eine’ Wirtschaft denn krank sein? Wie lei­det denn eine Volk­swirtschaft, wenn sie lei­det? (.. und über­haupt, seit wann ist Lei­den in unser­er christlich geprägten Gesellschaft etwas schlecht­es?)

Wie geht s uns denn?
Aber wie dem auch sei, die Frage lautet, wie geht’s denn unser­er Wirtschaft? Ja genau, wie geht es Ihnen denn so? Alles roger?
In Minute Drei des Mit­tagsjour­nals gibt die erste Antwort, nicht mehr als eine kurze Mel­dung, der län­gere Bericht fol­gt später:
[Audio:mj_28092007_2_meldung_wirtschaftsprognose.mp3]

Soso. Wir wach­sen noch. Wie bitte? Auf­schwung? Ah, Sie wach­sen endlich wieder. Na sehr gut, das heißt, es geht uns gut, oder? Fein.
Oje, aber es geht schon wieder bergab? Sie merken’s schon? Jaja, die Gesund­heit. Ein Kreuz ist das mit dem Kreuz, wem sagen sie das. Es is ja schon ein Wun­der, wenn man in diesen Zeit­en und unter solchen Umstän­den gesund zu bleiben ver­mag.
Ham’ s eigentlich Anspruch auf Kranken­stand? Is ja heut nim­ma so …

Immo­bilienkrise in den USA und die Inland­snach­frage?
Gott­sei­dank ist die drüben, die US-Immo­bilienkrise. Sollt uns eigentlich nichts aus­machen, die Vogel­grippe ist ja auch nicht gekom­men, oder? Und in den Medi­en hab ich ü-ber-all gele­sen, die wirkt sich auf uns nicht aus. Also, nicht unterkriegen lassen. Oder sam­ma vielle­icht, wie mir scheint, ein bißchen hypochon­drisch ver­an­lagt, gell?
Und die Inland­snach­frage, ja mein Gott, das kann doch nur ein Missver­ständ­nis sein. Wir soll­ten doch sparen und keine Schulden machen. Ein guter Tag begin­nt mit einem kon­so­li­dierten Haushalt ((Ha, “Haushalt”. Aber bei der Frage, wie geht es der öster­re­ichis­chen Wirtschaft? sind die pri­vat­en Haushalte ja wahrschein­lich doch außen vor, d.h. gar nicht so gemeint.)), hieß es, null Defiz­it war die Devise (oder “Nullde­fiz­it”, aber das hab ich nie ganz ver­standen).
Schwache Inland­snach­frage’, wenn es nichts schlim­meres ist, das lässt sich doch leicht beheben! Ein ordentlich­es Plus in der Herb­st­lohn­runde mit deut­lichen Kaufkraftzuwäch­sen für unsere pri­vat­en Haushalte und das renkt sich wieder ein!!! Sowieso hoch an der Zeit, ver­dammt noch mal. Und dann haut das mit der Bin­nen­nach­frage gle­ich viel bess­er hin.

Mel­dung zur Herb­st­lohn­runde
Sel­biges Mit­tagjour­nal. Es fol­gt bere­its die Mel­dung, dass es ger­ade eben heute in die Herb­st­lohn­runde geht. Bei dem The­ma waren wir ger­ade. Stich­wort ‘Inland­snach­frage’. Das Rezept ist wohl klar, mehr Geld in den pri­vat­en Haushal­ten kurbelt die Nach­frage an und unsere öster­re­ichis­che Wirtschaft hat ein Prob­lem weniger. Wun­der­bar wie sich alles erledigt. 🙂
[Audio:mj_28092007_3_meldung_herbstlohnrunde.mp3]

??? 😐 ??? 😕 ??? 😯 ???
Die Arbeit­ge­ber war­nen vor neg­a­tiv­en Fol­gen höher­er Lohnzuwächse für das Wirtschaftswach­s­tum?
Ist die ökonomis­che Ver­nun­ft unter den Arbeit­ge­bern so dünn gesäht? Sind nicht Lohn­run­den der Ver­nun­ft (siehe oben) gefordert? Es ist doch wahrlich nicht so schwierig zu ver­ste­hen:

Höhere Lohnzuwächse mehr an Kaufkraft stärkere Bin­nen­nach­frage größeres Plus beim Wirtschaftswach­s­tum

Tat­säch­lich gilt hier sog­ar der Umkehrschluss:

niedrige Lohnzuwächse Real­lohn­ver­lust geringe Kaufkraft schwache Bin­nen­nach­frage kla­gende Wirtschafts­forsch­er und ‑experten, die die schwache Bin­nen­nach­frage für ein geringes Wirtschaftswach­s­tum ver­ant­wortlich machen

Aber gut, noch ist nichts passiert. Und wie lautet es in der Mel­dung: die Sozial­part­ner tre­f­fen heute zusam­men (das müssten dann sein: BWK, AK gemein­sam mit ÖGB und Regierung(?)), um zuerst ein­mal jene Wirtschafts­dat­en außer Stre­it zu stellen, die die Grund­lage für die weit­eren Ver­hand­lun­gen bilden sollen. Damit sollte sich die Ver­nun­ft noch durch­set­zen kön­nen, der Irrtum der Arbeit­ge­ber muss spätestens da aufgek­lärt wer­den. Vielle­icht klärt sich das ganze Missver­ständ­nis dahinge­hend auf, dass der Ö1-Redak­teur etwas falsch ver­standen hat?

Allerd­ings habe ich noch ein weit­eres Prob­lem mit dieser Kurzmel­dung.

Rhetorische Kon­struk­tion von Gebern und Empfängern
Bitte hören wir uns den Kurzbeitrag oben noch ein­mal an. Danke. Was fällt da noch auf?

Die Arbeit­nehmerver­bände wer­den für die Dien­st­nehmerin­nen und Dien­st­nehmer einen Anteil am Wirtschaftswach­s­tum fordern,

heißt es ein­er­seits und

die Arbeit­ge­ber war­nen vor neg­a­tiv­en Fol­gen höher­er Lohnzuwächse für das Wirtschaftswach­s­tum

heißt es auf der anderen Seite.

Was soll das? Die einen brauchen jeman­den, der für sie einen Anteil fordert. Und nicht ein­mal ein­fach fordert son­dern erst fordern wird, es also nur vorhat. Die anderen haben es offen­sichtlich nicht nötig ihrer­seits mit Forderun­gen in die Ver­hand­lun­gen zu gehen. Die ste­hen da drüber, brauchen auch keine Vertre­tung, keinen Ver­band son­dern sind ein … äh … homo­genes Kollek­tiv? Und dieses selb­st­sichere und selb­st­lose Kollek­tiv(?) hat keine eige­nen Inter­essen son­dern küm­mert sich nur um das Wohl der Volk­swirtschaft? Um unser aller Wirtschaftswach­s­tum? Das selb­st­lose Kollek­tiv ‘Arbeit­ge­ber’ warnt daher vor neg­a­tiv­en Fol­gen für das Wirtschaftswach­s­tum. Warnt wen? Das Volk? Sich selb­st? Oder doch ihre Vertreter?

Ich werde das jet­zt ein­mal umfor­mulieren:

Die Arbeit­ge­berver­bände wer­den für die Unternehmerin­nen und Unternehmer einen Anteil am Wirtschaftswach­s­tum fordern, die Arbeit­nehmer war­nen vor neg­a­tiv­en Fol­gen niedriger Lohnzuwächse für das Wirtschaftswach­s­tum.

Klingt doch gle­ich ganz anders, oder? Klingt bess­er? Klingt richtiger, sage ich. Was sagt Ihr? Was würde da wohl der öffentlich-rechtliche Rund­funk sagen.

Zwis­chen­durch ein Hin­weis auf das Europa­jour­nal
Wir sind noch mit­ten im Mit­tagsjour­nal. Jet­zt ein Hin­weis auf das Europa­jour­nal am Abend. Heute unter anderem mit einem Bericht zu Ungarn, dem ‘früheren Muster­schüler unter den Reform­län­dern’. (Ja genau, ganze Staat­en wer­den eben­falls gerne wie Per­so­n­en behan­delt. Und so ist ein Staat ganz schnell ein­mal gut oder böse, brav oder faul. Aber das ken­nen wir ja alle. So lässt sich nicht nur gut Poli­tik machen, so kann objek­tive Berichter­stat­tung etwas ver­men­schel­ter gestal­tet wer­den.)
[Audio:mj_28092007_4_teaser_europajournal.mp3]

Der frühere Muster­schüler war schlimm und das hat er davon, der Ungarn. Fra­gen wir mal nicht, was das Muster war, wer es vorgegeben hat, nach­dem der Schüler Ungarn früher brav gehan­delt und zulet­zt aber nicht mehr gehan­delt hat. Jet­zt ist der Schüler Ungarn jeden­falls zurück­gestuft auf das Niveau eines Kindes, ein Sor­genkind der EU. Was hat das Kind ver­mas­selt? Das Wirtschaftswach­s­tum!!

Damit sind wir wieder bei unser­er den ganzen Beitrag durchziehen­den Sorge um das Wirtschaftswach­s­tum. Schüler Ungarn hat­te mal gute Zen­suren (höheres Wirtschaftswach­s­tum), aber das Kind hat’s vergeigt, ste­ht jet­zt bei mageren und schlus­slichthaften +2% Wach­s­tum. Wieso?

Grund dafür ist ein restrik­tiv­er Sparkurs der Regierung in Budapest.

Liebe Leserin, lieber Leser, zwis­chen­durch die Frage, ken­nen Sie sich noch aus? Beim Ö1-Mit­tagsjour­nal meine ich.

Jeden­falls haben wir jet­zt wenig­sten die Bestä­ti­gung – prak­tis­cher­weise inner­halb des gle­ichen Mit­tagsjour­nals –, dass das mit dem Sparen doch nicht so super ist. Wir sehen schön, wenn kein Geld aus­gegeben wird, weil keines aus­gegeben wer­den kann/will, dann zeit­igt das neg­a­tive Fol­gen für das Wirtschaftswach­s­tum. Quod erat demon­stran­dum.
Wir kön­nen dem eigentlichen Bericht von Ö1 zur Sit­u­a­tion unser­er Volk­swirtschaft mit einiger Ruhe und Beruhi­gung ent­ge­gense­hen.

Der Mit­tagsjour­nal-Bericht
hier nun endlich das Ton­doku­ment (und hier auch ein Link zum Bericht auf der Ö1-Web­seite dazu: Wirtschaft wächst heuer mehr, 2008 weniger):
[Audio:mj_28092007_5_bericht_wirtschaftsprognose.mp3]

Alles wieder anders, wider­sprüch­lich­er und natür­lich mit Vor­sicht zu genießen. Sowohl die Prog­nosen als auch die Erk­lärun­gen als auch die sprach­liche Darstel­lung.

  • Punkt ‘Risiko­fak­tor’ und ‘Grund

Die Immo­bilienkrise (nur der USA?) ist mithin nur mehr ein Risiko­fak­tor. Bleibt ‘der schwache Kon­sum daheim’ als ‘der andere Grund’ einzig und allein über. Danke! Wir alle also wieder Schuld. Wir alle sind schuld, weil wir so schwach kon­sum­ieren.
Der Risiko­fak­tor ist außer­dem … brum­mel brum­mel … doch auch nur ein klein­er, sagt IHS-Direk­tor Felder­er, der über­haupt auch der Beste von Allen ist, wenn es um die Frage geht, wie geht es unser­er Wirtschaft? ((Der hat schließlich am meis­ten Übung und gewin­nt seine Sicher­heit nicht zulet­zt daraus, immer das gle­iche herun­terzuleiern.)) Seine Ein­schätzung punk­to Risiko­fak­tor lautet schließlich:

Die Finanzkrise wird sich sehr schwach auswirken … Es sei denn, es gibt noch irgendwelche Großereignisse … Was aber nie­mand eigentlich annimmt.

Ist das bewusste Täuschung, damit wir uns keine Sor­gen machen, oder ist das Ahnungslosigkeit und Unfähigkeit? Ein bißchen, ganz wenig sur­fen im WWW genügt, und es sind viel zu viele – auch aus­gewiesene Wirtschaftswis­senschaftler und Experten (auch schon vor Aus­bruch der Immoblilienkrise) zu find­en –, die diese Aus­sage des IHS-Chefs als … brum­mel brum­mel … naja eines von bei­dem kon­terkari­eren: (Beschwichtigungs-)Lüge oder Unfähigkeit.

  • Punkt ‘Investi­tio­nen der Wirtschaft

Wir müssen, sagt Prof. Aigin­ger vom WIFO, auch ver­ste­hen, dass die Wirtschaft (an dieser Stelle ist mit Die Wirtschaft offen­sichtlich auss­chließlich gemeint: die Unternehmen)

das Geld auch für Inno­va­tio­nen und für Aus­landsin­vesti­tio­nen braucht.

Mhm. Erstens, gibt es jeman­den, der oder die das abstre­it­et, nicht ver­ste­ht und in Frage stellt? Meines Wis­sens nach nicht. Warum also dieses Ver­ständ­nis heis­chen?
Zweit­ens, wie wäre es in diesem Kon­text mit der Forderung, die Unternehmen soll­ten das auch ver­mehrt tun? Vielle­icht à la der sou­verä­nen und wohlge­mein­ten War­nung,

es ist zu war­nen davor, dass die Unternehmen nicht aus­re­ichend in F&E und vor allem in die Aus- und Weit­er­bil­dung ihrer Mitar­bei­t­erIn­nen investieren und dieses Geld stattdessen über hohe Div­i­den­den an auss­chüt­ten, zusät­zliche Prämien an Man­ag­er auszahlen oder Kriegskassen für Unternehmen­süber­nah­men füllen.

  • Punkt ‘Lohn­er­höhun­gen’, ‘Steuer’ und ‘Infla­tion­srate

À pro­pos beschwichti­gen. Die Lohn­er­höhun­gen lagen zulet­zt eh doch alle deut­lich über der Infla­tion­srate! Ach ja, welche Infla­tion­srate? Das Mit­tel, welch­es von der Sta­tis­tik Aus­tria über den stan­dar­d­isierten Warenko­rb erhoben wird? Also die Rel­e­vanz von Aus­gaben für das Auto ist für viele Allein­erzieherIn­nen, Stu­dentIn­nen, prekäre Atyp­is­che, Pen­sion­istIn­nen etc., die sich ein Auto gar nicht leis­ten können/wollen ziem­lich enden­wol­lend.

Die Steuer und namentlich die hohe Besteuerung auf den Fak­tor Arbeit ist schuld? Aber geh. Und als unaus­ge­sproch­ene Kon­se­quenz heißt das? Die Arbeit­ge­ber kön­nen da nichts dafür und denen geht’s auch schlecht und daher bitte “vernün­ftige Lohn­run­den” machen?
Das WIFO fordert nun auch – allen­thal­ben, höflich und mod­er­at – eine höhere Besteuerung des Fak­tors Ver­mö­gen und eine Ent­las­tung des Fak­tors Arbeit. Warum kommt an dieser Stelle nur die eine Seite der Medaille?

Es geht wohl, vor allem im hier laufend rel­e­van­ten Kon­text von Kaufkraft und Wirtschaftswach­s­tum, um die Real­lohnen­twick­lung. Kön­nten wir das Kind nicht beim Namen nen­nen?
Ich zitiere mal die AK:

Deut­liche Real­lohn­steigerun­gen begün­sti­gen Bin­nen­nach­frage
Auf­fal­l­end ist fern­er, dass alle Län­der mit pos­i­tiv­en Arbeits­mark­t­trends auch eine deut­lich steigende Real­lohnen­twick­lung zu verze­ich­nen haben. Nur in Öster­re­ich und Deutsch­land stag­niert diese bzw ist sie sog­ar rück­läu­fig (Deutsch­land). Während die Real­löhne in Schwe­den und UK zwis­chen 1995 und 2005 um nahzu 29 Prozent gestiegen sind, in Däne­mark und in den Nieder­lan­den immer noch um 17 bzw um 11 Prozent, so sind sie in Öster­re­ich nur um weniger als drei Prozent gestiegen und in Deutsch­land sog­ar um 1,6 Prozent gesunken. In bei­den Län­dern lässt gle­ichzeit­ig auch die Inland­snach­frage als Arbeits­mark­t­mo­tor aus. Die Bin­nen­nach­frage in Deutsch­land ist im Ver­gle­ich­szeitraum um nur 8,1, in Öster­re­ich um 16,8 Prozent, in den anderen Ver­gle­ich­slän­dern jedoch um 22,1 bis 38,5 Prozent gestiegen. Eine starke Inland­snach­frage ist für das Schaf­fen zusät­zlich­er Arbeit­splätze im Inland offen­bar wesentlich wirk­samer als Exporter­folge, auf die auch Öster­re­ich und Deutsch­land ver­weisen kön­nen.

  • Punkt ‘Forderun­gen der Gew­erkschaft

Die Pro­fes­soren wollen zu den Forderun­gen der Gew­erkschaft wenig sagen, spricht die Nachricht­en­sprecherin. “Wollen zu den Forderun­gen der Gew­erkschaft wenig sagen …

Allein dieser Satz dient dazu das Bild vom unge­bührlich fordern­den Kind zu evozieren, das seinen wohlwol­len­den Eltern gegenüber ste­ht. Man nen­nt so etwas unter­schwellige Bild­sprache.
Und so geht es auch weit­er. Begann der Satz mit eben diesem, sie woll­ten zu den Forderun­gen der Gew­erkschaft heute wenig sagen, so set­zt er nun (eigentlich wider­sprüch­lich) mit nur soviel sagt Felder­er, und dann dieser im O‑Ton (begüti­gend):

Alle sind sich einig das die Abschlüsse etwas höher sein kön­nten als das let­zte Mal. Aber ich will keine Zahl nen­nen.

Ja, das ist doch wohlwol­lend gegenüber den Forderun­gen der Gew­erkschaft, oder?
Psst, wieso eigentlich schon wieder nur Forderun­gen ein­er Seite? Geht es nicht um Ver­hand­lun­gen von zwei Ver­hand­lungsparteien, die bei­de mit Ver­hand­lungspo­si­tio­nen (Forderun­gen) in diese Ver­hand­lun­gen gehen? Haben nicht Arbeit­nehmerIn­nen und Arbeit­ge­ber gemein­sam das Wirtschaftswach­s­tum erwirtschaftet?

  • Punkt ‘alt­bekan­nte Mah­nung

Was soll ich dazu noch sagen. Inhaltlich nichts mehr, meine Posi­tion und Mei­n­ung wird bere­its aus­re­ichend durch­scheinen, zwei Links vielle­icht noch, jew­eils zu den Nach­Denk­Seit­en: ein­mal zum Dra­ma rund um die öffentliche Ver­schul­dung und ein­mal zu ein­er kurzen Buchbe­sprechung.

Abseits des Inhalts der sowieso alt­bekan­nten Mah­nung ist jedoch wiederum inter­es­sant zu bemerken, an welche Stelle diese Mah­nung im Beitrag geset­zt wird. An das Ende. Als Abschluss und Zusam­men­fas­sung nach manchen Wen­dun­gen, nach vie­len Aber’s und Aber auch’s, nach diesem und jen­em, was zu bedenken wäre.

Die Berichter­stat­tung muss aus­ge­wogen sein, so eine nor­ma­tive Regel des Jour­nal­is­mus.
Die Berichter­stat­tung muss aus­ge­wogen erscheinen, so die Prax­is. Erre­icht wird der Anschein der Aus­ge­wogen­heit durch rhetorische Kniffe, die es so erscheinen lassen, als wür­den gegen­sät­zliche Posi­tio­nen dargestellt, als wür­den bei­de Seit­en zu Wort kom­men. Es wird – der ZuschauerIn, der LeserIn, der HöhrerIn – eine Band­bre­ite an Sichtweisen und Argu­men­ta­tion eröffnet, scheint es. Immer öfter ist diese Band­bre­ite eine illu­sionäres Blublablub, nicht nur hier son­dern im gerin­geren Maße auch im Ö1-Mit­tagsjour­nal, das ich nichts­destotrotz in Öster­re­ich für eine Bas­tion und unab­häni­gen Jour­nal­is­mus halte.

Aber so funk­tion­iert es, freilich auch ohne bewusste Ver­stärkung der täti­gen Jour­nal­istIn­nen:
Zuerst kommt die Illu­sion der Band­bre­ite der Sichtweisen. Dann kommt die alt­bekan­nte Mah­nung. In unendlich­er Rep­e­ti­tion. Als Mantra. Die Wieder­hol­ung macht’s, dass uns der banal­ste Blödsinn als gesellschaftlich­er Kon­sens oder wis­senschaftlich­er Kon­sens von Exper­tIn­nen vorgemacht wer­den kann.

Nach­trag: und jet­zt bin ich sauer
Tags darauf der Ö1-Bericht zur anste­hen­den Lohn­runde, aufgemacht mit dem Titel Eder­er für Ein­malzahlung. Nein, ich bin nicht erbost über die Aus­sagen Eder­ers, Ex-Poli­tik­erin aus den Rei­hen der Partei, die sich die Sozialdemokratie nen­nt. Die Frau war damals Funk­tion­strägerin und ist heute Funk­tion­strägerin. Als SP-Partei-Poli­tik­erin mit spez­i­fis­chen Auf­gabenge­bi­eten hat sie aus diesem Kon­text her­aus agiert, Aus­sagen getätigt, Forderun­gen gestellt. Jet­zt ist sie Man­agerin eines Konz­erns. Als solche betra­chtet sie die Welt auch aus dieser Per­spek­tive, muss das in ihrem Inter­esse so tun. Sie agiert nun aus diesem funk­tionalen Kon­text her­aus, tätigt Aus­sagen als Man­agerin eines Großkonz­erns. Stellt Forderun­gen als ‘Arbeit­ge­berin’. So weit so logisch und so weit so gut.

Aber warum ver­dammt noch mal von allen Man­agern und (den weni­gen Man­agerin­nen) wird sie vom öffentlich-rechtlichen zitiert, sie und nur sie. Weil sie eine Ver­gan­gen­heit als SP-Poli­tik­erin hat?
Weil mit ihr – fälschlich und ver­logen – sug­geriert wer­den soll, ihre Aus­sage sei neu­tral?
Weil sug­geriert wer­den soll, der Inhalt ihrer Aus­sage – es soll trotz des ange­blich so tollen Wirtschaftswach­s­tums und trotz äußerst mod­er­ater Lohn­er­höhun­gen in den let­zten Jahren (und trotz laufend­er Ent­las­tun­gen der Arbeit­nehmer­seite) keine Lohn­er­höhun­gen geben son­dern nur Ein­malzahlungsalmosen – eine objek­tive Wahrheit ist?

Eine Antwort auf „Die Herbstlohnrunde und die Sorge ums Wirtschaftswachstum“

Üblicher­weise dienen die Mantras von der schwachen Inland­snach­frage zur Recht­fer­ti­gung von “dirigis­tis­chen Maß­nah­men” im Wider­spruch zu den “selb­streg­ulieren­den Mark­tkräften” — allerd­ings nur in aus­gewählten Fällen wie Rüs­tungsaus­gaben.
Eder­er war und ist Funk­tion­strägerin des Neolib­er­al­is­mus, damals als Lügen­pro­pa­gan­dis­tin für die Volksab­stim­mung über den EU-Beitritt, jet­zt als Man­agerin eines Konz­erns, der von den neolib­eralen Weichen­stel­lun­gen in der EU prof­i­tiert: http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2520
Ins­ge­samt war der Beitrag jeden­falls ein her­rlich­es Gegen-den-Strich-Bürsten der sattsam bekan­nten Phrasen des Main­streams.

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