Kategorien
Internet politisch

self-government, liquid autonomy style

barlow_logo

Will be there, will be hold­ing a work­shop …

AMRO — Art Meets Rad­i­cal Open­ness 2016, Linz
Fes­ti­val Ded­i­cat­ed to Art, Hack­tivism and Open Cul­ture
Waste(d)!
25.05–28.05.2016

Dun­no whether it will be called «wan­na do some self-gov­ern­ment of the impor­tant stuff, liq­uid auton­o­my style, seri­ous­ly». Title was a quick shot, 5min to 12, lack­ing some­what. Same goes for the pro­pos­als txt. So there will be changes up to #AMRO2016. But here what it is right now:

liquid autonomy

I’d like to present, dis­cuss, test the idea of ‘liq­uid auton­o­my’. That is to say a con­cept for self-gov­ern­ment of pub­lic goods and infra­struc­ture in the dig­i­tal age.

The coined term of course affil­i­ates and same time dis­tin­guish­es ‘liq­uid auton­o­my’ to the con­cepts of liq­uid feed­back and liq­uid democ­ra­cy. It’s about some­thing else and about more. It’s about autonomous self-gov­ern­ment of stuff that is impor­tant to all of us, pub­lic media, uni­ver­si­ties, health insur­ances, tele­com providers, pub­lic trans­port, the social insur­ance sys­tem, parts of munic­i­pal admin­is­tra­tion like urban devel­op­ment or waste man­age­ment, schools, the­aters, muse­ums, pow­er sup­ply and so on.

The thought is basi­cal­ly that all users have equal rights to par­take in the admin­is­tra­tion of pub­lic goods and infra­struc­ture and the idea is that they all have to have equal access to the means of self-gov­ern­ment too.

The mod­el of ‘liq­uid auton­o­my’ as it stands now dis­tin­guish­es four dimen­sions or facets of liq­uid self-gov­ern­ment:
(1) gen­er­al debate of all issues brought up,
(2) mon­i­tor­ing and con­trol­ling of the whole orga­ni­za­tion,
(3) ongo­ing deci­sion-mak­ing as well as
(4) elec­tion and appoint­ment of new mem­bers of the man­age­ment.

We all as own­ers of pub­lic goods, users of pub­lic infra­struc­ture in this mod­el form asso­ci­a­tions of par­tak­ers that gov­ern admin­is­tra­tion units. In a com­plex sys­tem of checks’n’balances we col­lec­tive­ly appoint, entrust and autho­rize, we over­see, ques­tion and strip-off. We dis­cuss, come up with ideas, task our admin­is­tra­tion units, decide on elab­o­rat­ed plans, scan eco­nom­ic activ­i­ty. We have access to dis­cus­sions, data, reports, mem­bers of the admin­is­tra­tion units and our fel­low par­tak­ers. We have respon­si­bil­i­ties, pos­si­bil­i­ties to par­take in the ongo­ing self-gov­ern­ment as well as pos­si­bil­i­ties to del­e­gate.

So that’s what I would like to lay out and dis­cuss. And fur­ther­more, if pos­si­ble, it’d be great to use the work­shop to col­lec­tive­ly improve the mod­el, maybe bring the ‘liq­uid autonomy’-concept to a degree where it’s worth spread­ing around, where it can ignite debate, become a pop­u­lar polit­i­cal demand.

Kategorien
anderswo Bildung FestungEuropa instruktiv Internet kulturelles Gedächtnis politisch prekär

Reiseziel Europa

Wir, die wir Fotos vom Meer und von Märschen durch Mazedonien auf unseren Handys haben

Fünf New­com­er erzählen vom Weg nach Europa, von der Bedeu­tung, die Smart­phones und Social Media für sie hat­ten, warum Viber, What­sApp oder tango.me wichtig sind und welche Rolle manche Apps jet­zt auf ihren Handys spie­len.

Erschienen in Stimme — Zeitschrift der Ini­tia­tive Min­der­heit­en 98, Früh­ling 2016
cover_stimme
☛ zu bestellen unter: abo@initiative.minderheiten.at

 

Wir haben unter­schiedlich lange Wege hin­ter uns. Wir sind über ver­schiedene und doch ähn­liche Fluchtrouten in Öster­re­ich angekom­men. Auf die Frage, woher wir kom­men, sagen wir kurz Afghanistan oder Syrien. Aus Traiskirchen haben wir es alle her­aus­geschafft, aber unsere Ver­fahren laufen und für diesen Artikel haben wir uns auf die Wir-Form geeinigt, ohne unsere Namen zu nen­nen.

Uns zu tre­f­fen und ken­nen­zuler­nen ist trotz­dem ein­fach und wir freuen uns. Seit dem Spät­som­mer 2015 – vier von uns fünf sind da ger­ade erst angekom­men – spie­len wir gemein­sam mit vie­len anderen unser­er Brüder und Schwest­ern The­ater: „Schutzbe­foh­lene per­for­men Jelineks Schutzbe­foh­lene“.

Über die The­ater-Work­shops in Traiskirchen vor dem Lager haben wir uns ken­nen­gel­ernt. Seit diesen Tagen im August 2015 nutzen wir eine geheime Face­book-Gruppe für die interne Kom­mu­nika­tion und zur Inte­gra­tion neuer Ensem­blemit­glieder. Der aktuelle Mit­glieder­stand zeigt neu­nund­sechzig Per­so­n­en, vier davon sind neu aus der let­zten Woche.

Alle Kontakte, die wir noch haben

Ohne die Plat­tform auf Face­book hät­ten sich manche von uns schon in den ersten Wochen und Monat­en ver­loren, als immer wieder ohne Vor­war­nung Ver­legun­gen in andere Flüchtling­sun­terkün­fte durchge­führt wur­den.

Die Tele­fon­num­mer ist weniger ver­lässlich als Social Media Plat­tfor­men. Ist das Handy weg, find­en wir ver­mis­ste Freund_innen kaum über Tele­fon­num­mern, die an neu gekaufte SIM-Karten gekop­pelt sind. Wir haben Kon­takt, weil wir auf Face­book, What­sApp und Viber verknüpft sind.

In der Face­book-Gruppe wer­den neben Probezeit­en und Tre­ff­punk­te für die Vorstel­lungstage natür­lich auch andere nüt­zliche Infos gepostet: zu Deutschkursen, über Apps zur Ori­en­tierung, kosten­lose Ange­bote. Irgend­wann stand da die Ein­ladung an Inter­essierte, gemein­sam einen Artikel für die STIMME zu entwer­fen, gepostet von einem unser­er Fre­unde von der Schweigen­den Mehrheit.

Solche Post­ings muss jemand über­set­zen, von Deutsch und Englisch auf Far­si und Ara­bisch. Als Reak­tion gepostete Kom­mentare brauchen wieder Übersetzer_innen, die Antworten oder Rück­fra­gen auf Englisch oder Deutsch ver­ständlich machen. Automa­tis­che Über­set­zung­spro­gramme helfen sel­ten, bei Ara­bisch scheit­ern die besten.

Smi­leys und Stick­er bilden dage­gen eine lin­gua fran­ca. Wir machen reich­lich Gebrauch von ihnen. So lässt sich nicht nur mit einem Lächeln Fre­undlichkeit aus­drück­en, son­dern auch eine fra­gende oder zus­tim­mende Geste, für die es keine Über­set­zung braucht.

Ja, etwas schreiben will ich gern. Wie wir was nutzen? Soll ich sel­ber schreiben und du über­set­zt oder schreiben wir gemein­sam? Und ich habe noch nicht genau ver­standen, was meinst du, was brauchen wir genau?

Was heißt Social Media? Ah! Ja, das ist wichtig

Die meis­ten von uns haben keinen “Social Media”-Begriff. Wir nutzen Face­book. Wir nutzen What­sApp. Täglich. Stündlich. Ja, auch YouTube. Was noch? Viber, Skype, tango.me. Wichtig ist Google Maps, ob auf den Fluchtrouten oder jet­zt in Wien. Aber das wichtig­ste ist das Handy. Ohne Handy geht gar nichts. Dazu ein stark­er Pow­er Pack, um den Akku mehrmals nach­laden zu kön­nen. Eine SIM-Karte. Ja, das ist alles wichtig.

Ok, we can talk about all that, let’s meet, write me on Face­book when.

Wir haben uns dann ein paar Mal in ver­schiede­nen Kon­stel­la­tio­nen getrof­fen. Fünf New­com­er und ein hier Geboren­er von der Schweigen­den Mehrheit. Manche von uns haben zur Vor­bere­itung ihre Über­legun­gen schon auf Deutsch struk­turi­ert und abgetippt, ein gutes Train­ing beim Sprache Ler­nen. Es gab ein langes Gespräch zu viert, das wir aufgenom­men haben, in Englisch, Ara­bisch und ein biss­chen Deutsch. Für Far­si sind wir zweimal zu dritt zusam­menge­sessen. Es gab Einzelge­spräche, wir haben Nachricht­en über Face­book aus­ge­tauscht und uns schlussendlich abge­sprochen, ohne alle Tele­fon­num­mern oder E‑Mail-Adressen voneinan­der zu haben.

19 Seit­en hat das Google Doc, in das alles einge­flossen ist. Zu viel um alles zu präsen­tieren. Fan­gen wir mit unseren unter­schiedlichen Aus­gangssi­t­u­a­tio­nen an.

Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling

Wir kom­men aus dem Euphrat-Tal im Osten Syriens und wir kom­men aus dem kur­dis­chem Gebi­et nordöstlich davon. Wir kom­men aus Damaskus. Wir kom­men aus ein­er Prov­inz im Zen­trum Afghanistans. Und wir kom­men aus ein­er Sied­lung etwas außer­halb Teherans, in der geflo­hene Afghan_innen harte Jobs machen müssen.

Wir sind mit 13 Jahren aufge­brochen, zuerst Rich­tung Kab­ul und dann in den Iran geflüchtet.

Wir haben uns aus Syrien in den Libanon und eine Zeit lang dort durchgeschla­gen, bis wir keine andere Option mehr als Europa hat­ten.

Wir sind, wie schon dutzende Male zuvor, zu Ver­wandten auf die türkische Seite der Gren­ze gefahren und dann unter­ge­taucht, weil die Türkei ger­ade begonnen hat­te, syrische Ver­triebene aufzu­greifen und festzunehmen.

Wir haben schon Jahre vor der endgülti­gen Reise für die Fam­i­lie Fluchtop­tio­nen von Ägypten aus erkun­det und sind schließlich über einen Stu­di­en­aufen­thalt in Nordzypern in die Türkei gelangt. Zu dem Zeit­punkt kon­nten syrische Flüchtlinge sich dort noch unbe­hel­ligt und legal fort­be­we­gen und wir haben einen Teil der Fam­i­lie aus dem vom IS kon­trol­lierten Gebi­et dort glück­lich getrof­fen.

Wir haben unter­schiedliche Bil­dungs­geschicht­en, Stu­di­en­ab­schlüsse eben­so wie nie eine Schulk­lasse von innen gese­hen und stattdessen in Fab­riken und Näh­stuben geschuftet, um das Geld für den Schlep­per von Afghanistan in den Iran zurück­zuzahlen und für die näch­ste Etappe nach Europa etwas anzus­paren. Wir hat­ten je nach unseren Hin­ter­grün­den dort, von wo wir aufge­brochen sind, ein freies Inter­net, ein zen­siertes oder gar keines.

Wir sind durch Städte gereist, in denen man die Schlep­per in Kaf­fee­häusern tre­f­fen kon­nte und durch andere, wo sie in einem Park unweit des Zen­trums zu find­en waren. Wir hat­ten Etap­pen, wo man die Verbindung über das Inter­net hergestellt hat.

Reiserouten nach Europa

Planung ist gut. Alles ist Kismet.

All diese Aspek­te – und noch ein paar mehr – bes­tim­men, welche Optio­nen wir haben um voranzukom­men, und ob wir mit Social Media bessere Karten haben oder nicht. Die Etappe, die wir ger­ade zu bewälti­gen haben, gibt die Optio­nen vor. Unsere Bil­dung und die Arbeitsmeth­o­d­en der Schlep­per geben die Optio­nen vor.

In Afghanistan sind viele von uns Analphabet_innen und im Iran gibt es ein streng zen­siertes Inter­net. In Syrien gibt es für jede anvisierte Stadt Face­book-Seit­en, auf denen hun­derte und tausende Men­schen auf Ara­bisch posten. Für Fluchtrouten aus Afghanistan und aus dem Iran gibt es das kaum.

Was ist das Nahe­liegende, wenn wir vor ein­er unbekan­nten Reise ste­hen? Wir kon­tak­tieren ver­traute Per­so­n­en, die die Reise bere­its gemacht haben. Wir fra­gen uns durch, bekom­men Kon­tak­te – auf Face­book, über What­sApp, Viber, Skype. Manche von uns ler­nen so Lesen und Schreiben. Oder wir bekom­men Tele­fon­num­mern.

So ist es sehr wahrschein­lich, dass Afghan_innen alle Etap­pen – bis zu denen inner­halb von Europa – über afghanis­che Fluchthil­fenet­zw­erke bewälti­gen. Kurd_innen ver­trauen kur­dis­chen Struk­turen, ara­bis­che Ver­triebene ara­bis­chen Net­zw­erken. Das bringt die Sprache mit sich, die famil­iären Kon­tak­te sowie die Fre­un­des- und Bekan­ntenkreise.

Noch mehr wer­den unsere Optio­nen aber von der aktuellen poli­tis­chen Lage bes­timmt. Die Regeln, die an der jew­eili­gen Gren­ze gel­ten, die Routen, die wir nehmen kön­nen, alles kann sich von Tag zu Tag ändern. Und nicht nur Poli­tik, Polizei und Mil­itär, auch die Topolo­gie, Net­z­ab­deck­ung oder die Ver­füg­barkeit von Steck­dosen bes­timmt mit.

Manch­mal gibt es Steck­dosen, aber es sind zu wenige. Manch­mal kostet ein­mal Handy-Aufladen zwei Euro (ein­mal Pow­er Pack-Laden vier Euro) und manch­mal – auf dem zehn­tägi­gen Marsch durch Maze­donien – haben wir an men­schen­leeren Hal­testellen immer Stromk­a­bel gesucht, freigelegt, von der Isolierung befre­it und mit eige­nen Dräht­en so mehrere unser­er Handys gle­ichzeit­ig aufge­laden.

Drei Arten von Online-Angeboten via Facebook & Co

Bei der Recherche im World Wide Web ist Face­book tat­säch­lich die wichtig­ste Plat­tform. Für jede Etappe jed­er Fluchtroute gibt es Seit­en und Grup­pen in mehreren Sprachen. Auf Ara­bisch find­en wir mehr als auf Far­si. In Syrien sind Face­book-Seit­en pro Stadt und Prov­inz die wichtig­sten Anlauf­stellen – nicht nur für Infor­ma­tio­nen zu Fluchtrouten, son­dern auch, um die Kriegslage einzuschätzen. Alle nutzen Face­book: die Schlep­per, die Islamis­ten, die zivilge­sellschaftlich engagierten Fluchthelfer_innen und wir.

Wir kön­nen daher drei Arten von Seit­en auf Face­book unter­schei­den:

  • Es gibt solche, auf denen die Schlep­per ihre Ange­bote und Leis­tun­gen bewer­ben.
  • Es gibt Seit­en, die von Aktivist_innen betrieben wer­den, die ein­fach helfen.
  • Und es gibt als dritte Kat­e­gorie die selb­stor­gan­isierten Grup­pen, in denen alle jene, die ger­ade unter­wegs sind, Infor­ma­tio­nen aus­tauschen, sich absprechen und gemachte Erfahrun­gen weit­ergeben. Welch­er Schlep­per ist gut, welche Route ist gefährlich, wo kann man Pässe kaufen, wo kön­nen wir sich­er über­nacht­en, was macht Ungarn ger­ade, wie sieht es in Izmir oder Bodrum aus usw.

Face­book ist ein Mark­t­platz der Schlep­per. Sie schreiben, „Unser Schiff ist sich­er, groß und kom­fort­a­bel“, „Wir garantieren, dass max­i­mal 20 Per­so­n­en in ein Boot kom­men“, „Wir fahren mit einem Reise­bus mit Wifi direkt von X nach Y und dazwis­chen muss nur max­i­mal eine Stunde zu Fuß gegan­gen wer­den.“ Die Wer­bung stimmt natür­lich nicht. Die Schiffe sind alte Boote. Gum­mi­boote müssen wir selb­st auf­blasen und wer­den mit 40 Per­so­n­en vollgestopft. Busse sind in Wirk­lichkeit Liefer­wa­gen. Fußmärsche dauern acht Stun­den oder länger als einen Tag.

Aber wir brauchen die Schlep­per. Wir wis­sen natür­lich, dass wir ihnen nicht ver­trauen kön­nen, also ver­suchen wir von den­jeni­gen, die vor uns auf den Fluchtrouten waren, Empfehlun­gen zu bekom­men, Tele­fon­num­mern, Namen, Adressen, Accounts auf Skype, Viber, tango.me oder What­sApp. Manche Schlep­per sind gut, manche sind gefährlich.

Die zweite Art von Face­book-Seit­en kann man sich so vorstellen: Engagierte Men­schen organ­isieren gemein­sam Hil­fe. Das sind Per­so­n­en aus Syrien, Palästi­na, Sau­di-Ara­bi­en, aus der Türkei und Griechen­land und solche, denen die Flucht nach Öster­re­ich, Deutsch­land, Schwe­den oder in die Nieder­lande schon geglückt ist. Sie stellen Notrufnum­mern zur Ver­fü­gung.

Wenn wir ohne Motor auf dem Meer treiben, organ­isieren diese Helfer_innen Ret­tung. Kurz vor dem Able­gen von der türkischen Ägäisküste teilen wir ihnen Abfahrsort und ‑zeit, das Boot, die Anzahl der Per­so­n­en und die eingeschla­gene Rich­tung mit. Sie über­prüfen dann, ob wir ankom­men und alarmieren die Polizei, wenn etwas nicht stimmt oder wenn wir ver­schwinden.

Schlep­per ver­suchen laufend mit Fehlin­for­ma­tio­nen die Polizei und die Küstenwachen zu täuschen. Aber den Helfer_innen ver­traut die Polizei. Ihre Infor­ma­tio­nen stim­men und sie kön­nen außer­dem auf Türkisch oder Griechisch mit der Polizei tele­fonieren. Die Polizist_innen kön­nen meis­tens kein Englisch, erst recht nicht Ara­bisch oder Far­si.

Eine Empfehlung: die Doku #myescape mit Handy-Videos & ‑Fotos von den Reisen.
https://www.youtube.com/watch?v=bB3WdudI0L0

Unsere Informationsbörsen und ihre Grenzen

Bevor wir aus dem Libanon aufge­brochen sind, hat ein­er unser­er Brüder Wochen und Monate lang sechzehn Face­book-Seit­en ver­fol­gt. Sein Lap­top war ein Kon­trol­lzen­trum. Er hat alles gesam­melt: Kon­tak­te, Empfehlun­gen und War­nun­gen, Namen von Hotels, Schlep­per­or­gan­i­sa­tio­nen und wichti­gen Plätzen, Karten. Er hat selb­st auf den Seit­en kom­men­tiert, Fra­gen gestellt und dann auf What­sApp wei­t­er­disku­tiert.

All das sind die selb­stor­gan­isierten Foren, auf denen unglaublich viele Men­schen ständig Infor­ma­tio­nen aus­tauschen, sich absprechen, Tre­ff­punk­te aus­machen, Tipps geben oder War­nun­gen posten. So wird stündlich aktu­al­isiert, wie die Lage etwa an der türkischen Küste aussieht, in Athen, an der griechisch-maze­donis­chen oder an der ser­bisch-ungarischen Gren­ze.

Wir hat­ten uns über eine dieser vie­len Seit­en einen Tre­ff­punkt mit anderen Reisenden aus­gemacht. Es gab einen Tag und Ort, um in ein­er größeren Gruppe die näch­ste Etappe über den Balkan anzuge­hen. Es ist nicht gut, alleine oder in Kle­in­grup­pen die Balka­n­route in Angriff zu nehmen. Am 15. August hät­ten wir in Athen sein müssen. Wir haben es knapp nicht geschafft, weil wir zu lange auf Samos fest­ge­sessen sind. Aber das wäre so ein typ­is­ch­er Fall gewe­sen, wo Flüchtlinge sich über Face­book selb­st organ­isieren, um sicher­er unter­wegs zu sein.

Wenn man am Ende ein­er Zwis­ch­ene­tappe irgend­wo ein­trifft, sagen wir von der Tages­reise zwis­chen Athen und Thes­sa­loni­ki oder dem nächtlichen Marsch über die ser­bis­che Gren­ze nach Szeged, dann ist das erste, die aktuellen Infos für die näch­ste Etappe auf der richti­gen Face­book-Seite nachzule­sen. Das unter­lassen wir wahrschein­lich nur zwis­chen Bel­grad und Ungarn, weil uns die Schlep­per ein­schär­fen, die Handys aus­geschal­ten zu hal­ten. Ange­blich ver­wen­den die Ungarn Handy­or­tung um uns abz­u­fan­gen.

Auf Face­book schauen wir nach: Ist die näch­ste Gren­ze noch offen? Was ist in den let­zten vierundzwanzig Stun­den passiert? Welche Regeln gel­ten ger­ade?

Es kann gut sein, dass ein Plan nicht mehr rel­e­vant ist, den wir vorher hat­ten. Kon­tak­t­per­so­n­en sind ver­schwun­den, vielle­icht sind sie festgenom­men wor­den, mussten unter­tauchen oder sie haben ihre Tre­ff­punk­te ändern müssen. Die Regeln für Routen haben sich geän­dert. Die Hotels, in denen wir über­nacht­en woll­ten, sind über­füllt.

In einem Fall sind wir nach der maze­donisch-ser­bis­chen Gren­ze mehr als einen Tag um Papiere ange­s­tanden, mit denen wir legal Ser­bi­en durch­queren hät­ten kön­nen – ohne Erfolg. Wir haben dann etwas mehr für den Bus nach Bel­grad gezahlt, weil wir ille­gal gefahren sind. Es hätte noch lange gedauert, Papiere zu bekom­men.

Ohne Papiere kon­nten wir in Bel­grad nicht in eines der Hotels gehen, das emp­fohlen wurde. Wir mussten uns neu informieren, eine Nacht auf der Straße schlafen, dann ein Hotel find­en, in das wir ohne Papiere schlüpfen kon­nten, um ein­mal etwas zur Ruhe zu kom­men. Und wir mussten andere Schlep­perkon­tak­te recher­chieren, weil die über Social Media von früher Reisenden Emp­fohle­nen unter­ge­taucht waren.

Schlepper. Routen. Fluchthilfe

Im Hochsom­mer 2015 waren immer mehr Men­schen auf den Routen in der östlichen Ägäis und am Balkan unter­wegs. Die Regeln änderten sich. Viele von uns kon­nten manche Etap­pen ohne Schlep­per unternehmen. Zwei von uns sind im August unter­wegs gewe­sen, als am Balkan, in Öster­re­ich und Deutsch­land viele Wege geöffnet oder zumin­d­est vere­in­facht wur­den. Nur ein paar Wochen vorher mussten wir durch Maze­donien noch marschieren und Flüchtling­shil­fe war nicht nur ver­boten, son­dern wurde mit Strafen geah­n­det. Dann gin­gen Züge. Später ging nichts mehr.

In Ungarn war es immer furcht­bar und dann war diese Route ganz geschlossen. Wir sind knapp vor der Schließung der ungarischen Gren­ze noch durchgekom­men, als sich viele ohne Schlep­per auf den Weg gemacht hat­ten.

Ohne Schlep­per unter­wegs zu sein kostet jedoch auch viel. Es gibt andere Ungewis­sheit­en und andere Stra­pazen. Es kann schlim­mer aus­ge­hen als mit Schlep­pern. Den­noch gilt: Wenn ger­ade mehr geht, wenn Staat­en Züge und Busse organ­isieren, um uns schnell weit­erzube­fördern, brauchen wir die Schlep­per weniger.

Je mehr Fluchtwege geschlossen wer­den, desto abhängiger wer­den wir von Schlep­pern, desto gefährlich­er wird es für die Schlep­per und desto gefährlich­er wer­den die Schlep­per für uns.

Wir sind vor und wir sind nach dem Pakt zwis­chen der EU und Erdo­gan auf der Reise gewe­sen, als nun auch die Durch­querung der Türkei mit einem Jahr Gefäng­nis bestraft wor­den wäre, wenn sie uns aufge­grif­f­en hät­ten. In einem Fall waren wir deut­lich früher unter­wegs, als die Über­querung des Evros bzw. der Mar­it­sa noch eine real­is­tis­chere und übliche Route war. Wir sprechen vom Gren­zfluss zwis­chen der Türkei und Griechen­land, in dem genau­so wie im Meer viele Men­schen ertrunk­en sind.

Wir haben nie Schwim­men gel­ernt und sind beim ersten Ver­such damals geken­tert. Das passierte gle­ich nach dem Able­gen, weil ein paar Pas­sagiere in Panik geri­eten. Wir kon­nten uns an einem Bau­mast aus dem Wass­er ziehen. Ein Flüchtling hat dabei fün­f­tausend Dol­lar ver­loren. Von mehreren anderen wis­sen wir nicht, was mit ihnen passiert ist. Wir haben nur unser Handy ver­loren. Beim zweit­en Ver­such ist uns die Über­querung des Flusses gelun­gen.

Den ganzen Weg versteckt, aus der Heimat ferngesteuert

Nach dem Pakt mit Erdo­gan unter­wegs zu sein hieß, den gesamten Weg von Kur­dis­tan bis nach Öster­re­ich ver­steckt zu reisen. Die Organ­i­sa­tion aller unser­er Reisen ist unter­schiedlich ver­laufen, diese hat mit ein­er Kon­tak­t­per­son funk­tion­iert, die wir nur tele­fonisch kon­tak­tiert haben. Hier haben wir es mit einem anderen Typus von Fluchthelfern oder Schlep­pern zu tun. Das sind Leute, die wir nie tre­f­fen und mit denen wir nur über Viber, What­sApp oder Tele­fon kom­mu­nizieren.

Sie dirigieren uns über den gesamten Weg per pri­vat­en Kom­mu­nika­tion­skanal, organ­isieren alle Etap­pen, sagen uns, wo wir abge­holt wer­den, wohin wir marschieren müssen, wo wir uns ver­steck­en müssen und wann wir wieder aus Ver­steck­en her­auskom­men kön­nen. Sie über­set­zen uns aus der Dis­tanz, was die von ihnen organ­isierten lokalen Schlep­per sagen und was wir ihnen sagen wollen.

Zu zweit haben wir von Al Hasakah bis Wien pro Etappe neue Anweisun­gen über diesen Weg bekom­men, via Edirne, einen Fuss­marsch über die bul­gar­ische Gren­ze, dann Sofia und Bel­grad – wie zwei Pakete. In Öster­re­ich haben wir unsere Ver­wandten zu Hause angerufen und das aus­gemachte Hon­o­rar von rund fün­f­tausend Euro pro Per­son wurde an den Kon­takt in Al Hasakah aus­gezahlt. Auf dem ganzen Weg gab es kein Inter­net, alles ging ohne Social Media.

Aufbruch aus dem Iran

Wieder anders ist es in den Vorstädten von Isfa­han und Teheran, von wo wir uns als afghanis­che oder pak­istanis­che Flüchtlinge auf­machen. Zwis­chen unser­er Flucht aus Afghanistan und dem neuer­lichen Auf­bruch aus dem Iran liegen oft Jahre, die wir als Ille­gale in Arbeitssied­lun­gen arbeit­en. Hier wis­sen alle, wie und wo wir Schlep­per find­en.

Wir haben auch alle Kon­tak­te in Europa, die uns mit ihren Schlep­pern verbinden, wenn sie gut waren. Östlich von der Lin­ie Türkei, Syrien, Irak sind es die Bekan­nten und Ver­wandten in Europa oder Übersee, die unsere “Social Media”-Kontakte darstellen. Die Kom­mu­nika­tion läuft halt tra­di­tionell über das Tele­fon, nur wenn möglich über tango.me und Viber, um Geld zu sparen: Erzäh­lun­gen, was uns erwartet, Namen von Schlep­per­or­gan­i­sa­tio­nen, Dör­fern, Straßen und Städten.

Ohne Inter­net und Social Media ver­han­deln wir vor Ort mit Schlep­pern, ver­suchen uns ein Bild von ihnen zu machen, sie einzuschätzen. Wir brauchen sie. Wir wären son­st nie durch die Wüste zwis­chen Nim­ruz und Bam gekom­men. Und wie sollen wir von Oru­miyeh über das Gebirge nach Van kom­men. In bei­den Fällen müssen wir nicht nur an Gren­z­sol­dat­en vor­bei, son­dern auch an den Ban­diten, die uns für Lösegeld gefan­gen nehmen und ver­schwinden lassen, wenn es nie­man­den gibt, der für uns etwas Geld trans­ferieren kann.

Auf der türkischen Seite des Gren­zge­birges zum Iran haben wir nun Inter­net, vielle­icht aber noch keine Smart­phones, keine Ahnung von Face­book oder nicht die aus­re­ichen­den Sprachken­nt­nisse, um ohne jene Schlep­per­or­gan­i­sa­tion auszukom­men, mit der wir bis hier­her in den Schat­ten des Ararat gekom­men sind.

Geldtransfers und Safe Offices

Aus­gaben unter­wegs sind Tick­ets für Züge, Busse, Flugzeug und Fähren. Wir zahlen Zim­mer in Hotels oder Absteigen. Wir zahlen die Schlep­per, die Plätze in Booten, auf der Lade­fläche von Pick-ups, in Autos, Bussen oder Liefer­wa­gen. Wir zahlen neue SIM-Karten, manch­mal neue Handys und Pow­er Packs. Aber wir wollen nie zu viel Geld bei uns tra­gen.

Schlep­per zahlt man bess­er nicht im Voraus. Wie also funk­tion­iert das? Wieder braucht es das Handy und entwed­er „Safe Offices“ oder Ver­traute, die deren Auf­gabe übernehmen. West­ern Union gibt es in Afghanistan, dem Iran oder Syrien nicht. Wir haben unser Geld bei der Fam­i­lie, Ver­wandten, unseren Fre­un­den wie bei Banken deponiert. Per Tele­fon melden wir uns, wenn wir etwas brauchen.

Den Geld­trans­fer übernehmen Organ­i­sa­tio­nen, die wir nicht durch­schauen kön­nen. Es wird nicht wie in Europa dig­i­tal über­wiesen son­dern in einem Büro irgend­wo im Iran, Syrien oder der Türkei etwas bar abgegeben und in einem anderen Büro an einem anderen Ort in der Türkei, Griechen­land oder Ser­bi­en bekom­men wir etwas aus­bezahlt.

Die Organ­i­sa­tion hat ihre eige­nen Wege, im Hin­ter­grund die Kon­ten abzu­gle­ichen. Büros sind in Seit­en­straßen. Es sind ein­fache kleine Geschäfte, von denen es viele gibt. Alle wis­sen, wo sie zu find­en sind. Es gibt afghanis­che Organ­i­sa­tio­nen, ara­bis­che, türkische usw.

Die Bezahlung von Schlep­pern geht meis­tens über diese Büros, die „Safe Offices“ genan­nt wer­den. Es gibt sie in den gle­ichen Seit­en­gassen Bodrums, Izmirs oder Athens, in denen wir die Schlep­per find­en und ihre angemieteten Quartiere find­en, in denen wir bis zum Auf­bruchssig­nal ver­sam­melt wer­den.

Natür­lich ver­suchen wir, unser Geld für die Über­fahrt in einem Safe Office zu hin­ter­legen, das wahrschein­lich nicht von der gle­ichen Organ­i­sa­tion betrieben wird, der unsere Schlep­per ange­hören. Nach Möglichkeit gehen wir nicht alleine hin, weil wir bere­its zehn­tausend Euro in bar bei uns tra­gen, der Preis für mehrere Per­so­n­en und eine Über­fahrt in einem voll­ge­füll­tem Schlauch­boot. Zwis­chen der Türkei und Griechen­land waren das im Som­mer 2015 tausend­fünfhun­dert Dol­lar pro Per­son.

Unsere Vertreibung, ihre Geschäftsgrundlage

Um nur ein­tausend Dol­lar kön­nte man ein ganzes Boot neu kaufen. Aber natür­lich wird Flüchtlin­gen keines verkauft. Selb­st wenn, wür­den die Schlep­per­or­gan­i­sa­tio­nen es sofort zer­stören und uns zur War­nung zusam­men­schla­gen. Wir müssen für die Über­fahrt bezahlen. Die, die kein Geld haben, dür­fen manch­mal trotz­dem mit, wenn sie den Boot­skapitän übernehmen und das Gum­mi­boot auf Kurs Rich­tung griechis­ch­er Insel hal­ten.

Im Safe Office nimmt ein zehn­jähriger Junge das Geld für unsere Gruppe von sechzehn Per­so­n­en ent­ge­gen. Er zählt tausende Dol­lar unter Auf­sicht. Einen Com­put­er gibt es nicht. Auf einem ein­fachen Zettel wird ein Code gekritzelt, ein beliebiger Satz, den wir uns aus­suchen. Wenn wir sich­er auf Kos, Samos oder Les­bos angekom­men sind, geben wir mit einem Anruf im Safe Office und dem Auf­sagen des auf den Zettel gekritzel­ten Satzes das Geld an die Schlep­per frei. Bei anderen Etap­pen in der Türkei, Ser­bi­en, Bul­gar­ien und Ungarn läuft es ähn­lich.

Haben wir genug Geld, kön­nten wir nach diesem Sys­tem sog­ar mit gefälscht­en Pässen direkt von Athen aus nach Ams­ter­dam, Berlin oder Stock­holm fliegen. Ein Fre­und von uns hat es so geschafft, beim sieben­ten Ver­such mit sieben ver­schiede­nen gefälscht­en Pässen sieben ver­schieden­er Nation­al­itäten. Die Kosten sind da natür­lich hor­rend. Von uns kon­nte sich das nie­mand leis­ten.

Im gün­stigeren Fall liegt das Geld nicht in einem der undurch­sichti­gen Safe Offices son­dern bei Ver­wandten. Im schlechteren Fall geben wir Schlep­pern das Geld direkt im Voraus, etwa weil der Auf­bruch uner­wartet plöt­zlich ist und wir uns denken, dass wir vom Geld sowieso nichts hät­ten, wenn es in unseren Taschen am Grund des Meeres steckt.

Hey Bruder, was machst du? Kein Handy! Bitte, kein Handy. Vorzeigeflüchtlinge! Kein Handy.

In Öster­re­ich sind Smart­phone, Inter­net und Social Media noch mehr im Ein­satz als auf unseren Reisen. Zum einen wollen wir jet­zt mit unseren Fam­i­lien und Freund_innen reden. Manche von uns haben das unter­wegs in jed­er möglichen Sit­u­a­tion gemacht, andere haben das unter­lassen und nur nach den gefährlich­sten Etap­pen eine Nachricht geschickt.

Jet­zt sind wir in Sicher­heit und haben eine große Ungewis­sheit weniger. Außer­dem haben wir viel Zeit. Manche von uns verzweifeln, weil wir nichts zu tun haben und in vie­len Sit­u­a­tio­nen nichts tun dür­fen. Dann sind Smart­phones, YouTube-Videos, Spiele wichtig, um nicht ver­rückt zu wer­den. Akku­ladun­gen sind kein Prob­lem mehr und das Handy ist manch­mal die einzige Ablenkung von ein­er tris­ten Umge­bung und schlim­men Erin­nerun­gen.

Unter­wegs haben wir oft nur ein Handy für eine ganze Gruppe aufge­dreht gehabt und das näch­ste, wenn wieder eines leer war. Wir waren von Handys abhängig, um uns nicht zu verir­ren und um Kon­tak­te anrufen zu kön­nen. Jet­zt müssen wir uns die Handys nicht mehr teilen. Jet­zt muss unser eigenes unsere Unter­hal­tung übernehmen.

Manche von uns ver­fol­gen weit­er­hin die Face­book-Seit­en, die so etwas wie selb­stor­gan­isierte Medi­en­por­tale über die Lage in Syrien sind. Wir kom­men nicht los, obwohl die Nachricht­en grausam sind. Wir sehen YouTube-Videos vom Phos­pho­r­re­gen und wachen in der Nacht auf, weil wir wieder das Feuer im Traum auf uns her­ab­fall­en sehen. Immer öfter nehmen wir uns vor, nichts mehr über zu Hause zu lesen. Aber noch posten wir auf Face­book sel­ber aktuelle Berichte über den Krieg in Syrien.

Andere von uns haben schon lange zugemacht. Wir ver­wen­den Social Media nur mehr für die tagtäglichen Kon­tak­te hier, zur Kom­mu­nika­tion mit Freund_innen und natür­lich für das Kon­takt hal­ten mit unseren Brüdern und Schwest­ern, die es über Europa verteilt hat.

Auf dem Smart­phone sind jet­zt außer­dem mehrere Apps instal­liert, mit denen wir Deutsch und Englisch ler­nen, Sprach­pro­gramme und Apps, die uns mit anderen Kon­ver­sa­tion üben lassen. Wir hören Musik, schauen Filme, manch­mal aus unser­er Heimat, manch­mal von hier, um die Kul­tur ken­nen zu ler­nen und bess­er zu ver­ste­hen. Es gibt Reise­führer-Apps und Apps für Museen, Über­set­zung­spro­gramme und Lexi­ka.

Als wir am Helden­platz in der Men­schen­menge ges­tanden sind, waren unsere Smart­phones Lichter im Lichter­meer. Im The­ater­stück haben wir die Handys in ein­er Szene vorher schon ver­wen­det, um mit Licht­punk­ten in der Hand zu „Wien nur du allein“ zu tanzen.

Die Szene ist in den Work­shops auch daraus ent­standen, weil wir in Pausen sofort Musik mit einem Smart­phone gemacht und getanzt haben. Später hat sich die Szene bei Proben weit­er­en­twick­elt. Jemand aus unserem Ensem­ble hat im Scherz gerufen, „Hey, kein Handy, wir sind Vorzeige­flüchtlinge“.

Es ist komisch, wenn uns zum Vor­wurf gemacht wird, Handys zu haben. Ohne kom­men wir auf der Flucht nicht weit­er. Wir haben Schlep­pern von Syrien bis Öster­re­ich in etwa fün­f­tausend Euro zahlen müssen, vom Iran nach Öster­re­ich zehn- bis fün­fzehn­tausend. Was kostet dage­gen schon ein Smart­phone?

Kategorien
Internet politisch

Zeit für liquid autonomy (¬ #rpTEN)

Aus der Serie abgelehn­ter Vorschläge für die re:publica.
Ein­gere­icht zur #rpTEN als “talk (30min)”.

 

Zeit für liq­uid auton­o­my.

### KURZTHESE (max 500) ###

Um liq­uid democ­ra­cy ist es still gewor­den. Gut so und nicht unver­schuldet. Die Vision ist am unin­spiri­erten Tun­nel­blick gescheit­ert. „Pol­i­cy-deci­sions im Parteien­sys­tem“? #wtf

Die dig­i­tal­en Gesellschaft sollte auf liq­uid auton­o­my abzie­len, auf “flüs­sige Teil­habe an der Selb­stver­wal­tung” unser­er Infra­struk­turen, Medi­en, Kassen, Bil­dung­sein­rich­tun­gen usw.

Reden wir darüber, wie wir öffentliche Güter demokratisch selb­st regieren, ohne Umweg über Parteien, abseits des nation­al­staatlich­er Gren­zen.

### BESCHREIBUNG (max 2000) ###

Wir haben heute schon Benutzerkon­ten auf den Web­sites unser­er Stromver­sorg­er, Telekom-Anbi­eter, städtis­chen Bücherei oder Sozialver­sicherung, vielle­icht bald beim Verkehrsver­bund, dem Öffentlich-Rechtlichen und der kom­mu­nalen Kinder­garten­ver­wal­tung. Möglicher­weise wer­den nach dem Login da oder dort bald Geschäfts­berichte im Zuge ein­er Trans­paren­zini­tia­tive darge­boten. Oder es kommt ein Man­age­ment auf die Idee, im Kun­den­bere­ich Debat­ten, Ver­net­zung unter Nutzer_innen und Abstim­mungen zuzu­lassen. Das wäre sich­er cool, fortschrit­tlich und doch kaum mehr als Mar­ket­ing.

Wenn wir uns als Eigentümer_innen öffentlich­er Güter ver­ste­hen, soll­ten wir etwas mehr für möglich und wün­schenswert hal­ten. Zuerst wollen wir Kon­trollmöglichkeit­en, und zwar nicht soviel wie uns ein Man­age­ment ger­ade zugeste­ht, son­dern nach gemein­sam ausver­han­del­ten Regeln, in Recht­en und Pflicht­en definiert.

Dann wollen wir Funk­tio­nen Soziale-Net­zw­erke-Plat­tfor­men. Wir wollen uns mit anderen Teil­haben­den über unsere Erfahrun­gen, Ein­schätzun­gen und Vorschläge unter­hal­ten kön­nen. Wir wollen über grundle­gende Entschei­dun­gen vor­ab informiert wer­den und uns auf das Recht berufen kön­nen, rechtzeit­ig informiert zu wer­den. Wir wollen dann disku­tierten und schließlich auch abstim­men kön­nen.

Ah, und wir wollen offen­sichtlich unfähi­gen oder ihr eigenes Süp­pchen kochen­den Bahnmanager_innen natür­lich das Mis­strauen aussprechen kön­nen, in einem klaren Regel­w­erk der checks’n’balances gegebe­nen­falls bis zur Abset­zung.

Es ist nicht einzuse­hen, dass wir einein­halb Jahrzehnte ins 21.Jahrhundert und als zunehmend erfahrene dig­i­tale Gesellschaft noch keine Anstren­gun­gen unter­nom­men haben, mit den Werkzeu­gen die uns zur Ver­fü­gung ste­hen, flüs­sige Selb­stver­wal­tungsplat­tfor­men zu bauen und für wirk­lich zen­trale Funk­tio­nen aufzurüsten, die liq­uid auton­o­my unser­er pub­lic goods.

 

Abgelehnte Vorschläge bish­er: #rp12, #rp15.
Schon geklappt hat es ja zur #rp13.