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Der neue Reisepass schließt ganze Bevölkerungsgruppe aus

Bei den Aufla­gen für den bio­metrischen Reisep­a­ss hat der Geset­zge­ber auf psy­chisch und motorisch behin­derte Men­schen vergessen

Am let­zten Mittwoch im April mussten sieben psy­chisch und motorisch behin­derte Men­schen das Pas­samt in Wien Hiet­z­ing ohne neue und gültige Reisepässe wieder ver­lassen, und dass, obwohl dem Ter­min am Amt umfan­gre­iche Vor­bere­itun­gen und Vor­abtele­fonate durch die Betreuerin­nen der , obwohl dem Ter­min umfan­gre­iche Vor­bere­itun­gen und Vor­abtele­fonate durch die BetreuerIn­nen der Wohnge­mein­schaft Hirschfeld­weg (Vere­in GIN) voraus­ge­gan­gen waren. Sie waren unter anderem an einem Gerät zum elek­tro­n­is­chen Scan­ning von Fin­ger­ab­drück­en gescheit­ert, das für sie nicht anwend­bar ist.

Das vorder­gründi­ge Prob­lem ist also, die reisewil­li­gen behin­derten Men­schen keine brauch­baren Fin­ger­ab­druckscans oder den ver­schärften Aufla­gen gerechte Fotos abliefern kon­nten. Das eigentliche Prob­lem ist aber, dass der Geset­zge­ber bei der Aus­gestal­tung des neuen Reisep­a­ss­ge­set­zes vol­lkom­men auf die psy­chisch und motorisch behin­derten Staats­bürg­er vergessen hat; und damit auf eine alles andere als kleine Bevölkerungs­gruppe.

Eine wohlvor­bere­it­ete Aktion
Die Ausstel­lung von Reisepässen für psy­chisch Behin­derte war auch vor dem neuen Pass­ge­setz mit einigem Aufwand ver­bun­den. Ein Fotograf muss in die Wohnge­mein­schaft der Behin­derten bestellt wer­den, um Fotos der trau­ma­tisierten Behin­derten in für sie bekan­nter Umge­bung zu machen. Eine Aktion, die alleine mehr Per­son­al als üblich und viel Zeit und Geduld erfordert.
Der For­mu­la­rverkehr nimmt schon Wochen im Vorhinein bemerkenswerte Aus­maße an. Unter­schriften von Sach­wal­tern sind einzu­holen, die Befug­nisse der Betreu­ungsper­so­n­en müssen bezeugt wer­den etc. Das Amt muss vorge­warnt, alles nur Erden­kliche vor­ab gek­lärt und bedacht wer­den. Ein Ter­min für den Ämter­weg wird vere­in­bart.

Still­hal­ten, in die Kam­era Schauen
Mit den Aufla­gen zum neuen Reisep­a­ss sind manche Hür­den für einige psy­chisch und motorisch beein­trächtigte Per­so­n­en allerd­ings unüber­wind­bar gewor­den. Die Pass­fo­tos müssen für eine Ein­reise z.B. in die USA so geschossen sein, dass die Augen der Fotografierten genau ins Objek­tiv schauen, der Kopf muss inklu­sive definiert­er Abstände zu den Bil­drän­dern genau ein­gerichtet sein.
Es stellt sich her­aus, dass dies eine Unmöglichkeit für einige trau­ma­tisierte Behin­derte darstellt. Diese reagieren bere­its nach kurz­er Zeit der erhöht­en Aufmerk­samkeit auf ihre Per­son mit autoag­gres­siv­en Stress­reak­tio­nen.

An das Gerät zum Fin­ger­scan anpassen
Der Fin­ger­ab­druck stellt eine eben­so große Hürde dar. Er kann nicht ein­fach mit Stem­pelkissen und Tinte erledigt wer­den, son­dern ver­langt min­destens 15 Sekun­den lan­gen gle­ich­mäßi­gen Druck, der nicht zu leicht und nicht zu stark aus­fall­en darf. Für Nor­mal­sterbliche stellt dies eine kaum erin­nern­swerte Rou­tine dar. Für psy­chisch behin­derte Men­schen mit ein­er langjähri­gen trau­ma­tis­chen Psy­chi­a­trieer­fahrung han­delt es sich – noch dazu in unbekan­nter Umge­bung mit unbekan­nten Maschi­nen – schlicht um ein Ding der Unmöglichkeit.

Die beglei­t­en­den Betreuerin­nen sehen sich bald vor die Frage gestellt, es bei zunehmenden Stress weit­er zu ver­suchen oder die Aktion abblasen. Die Aus­sicht vielle­icht einen weit­eren Fin­ger­ab­druck zusam­men­zubrin­gen, muss gegen das Risiko abge­wogen wer­den, langsam erzielte Ther­a­pieer­folge zu gefährden.

Hil­festel­lung aus Mag­is­trat und Min­is­teri­um
Die Anrufe ein­mal beim Wiener Mag­is­trat und dann im Innen­min­is­teri­um helfen auch nicht weit­er. Die BetreuerIn­nen erhal­ten lediglich Ratschläge und Anweisun­gen, wie sie ihren Job zu tun hät­ten. Im Klar­text der instru­mentellen Ratio der Bürokratie heißt das, dass den behin­derten Men­schen mit Gewalt Fin­ger­ab­drücke und kon­forme Fotos abzutrotzen sind.

In den Pässen müsste die psy­chis­che Behin­derung ver­merkt wer­den. Eben­so müsse ein Ver­merk vorge­se­hen wer­den, dass mit diesem Reisep­a­ss die Ein­reise in die USA nicht möglich wäre. Dass der Geset­zge­ber hier auf einen nen­nenswerten Teil sein­er Bürg­erIn­nen vergessen hat, näm­lich die, die er auf Grund deren Behin­derung beson­ders schützen soll, darauf kommt die Stimme aus dem Innen­min­is­teri­um nicht.

Da hil­ft es dann wenig­stens ein wenig, dass die vier Amtsper­so­n­en vor Ort am Pas­samt in Wien Hiet­z­ing über die ganze Dauer der Pass­beschaf­fungsak­tion aus­nehmend hil­fs­bere­it und fre­undlich waren.

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