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Es ist der Wahlkampf, der die Abschiebung der #refugeecamp Aktivisten fordert

Wir schreiben Mitte des Som­mer­lochs vor der Nation­al­ratswahl 2013. Die Regieren­den erzwin­gen, was in solch­er Kon­stel­la­tion von ihnen zu erwarten ist. Zu erwarten freilich nicht ide­al­er­weise son­dern sto­chastisch, also auf Basis der Evi­denz ihrer bish­eri­gen Aktio­nen. Das Bun­desin­nen­min­is­teri­um agiert, die Polizei exeku­tiert. Ich schreibe bewusst, “die Regieren­den”. Minister_innen, lei­t­ende Kad­er der Regierungsparteien, ihre anbe­foh­lene ras­sis­tis­che instru­mentelle Ver­nun­ft anwen­dende und zur Vertei­di­gung ihrer Willkür­be­hand­lun­gen vorschützende Ver­wal­tungssol­dat­en und ‑sol­datin­nen, in ihrer immer pointiert­er wer­den­den Eskalaierungspoli­tik ihren Korps­geist immer fes­ter schmiedende Polizeikräfte.

Was die Regieren­den erzwin­gen, die Polizei­min­is­terin geht voran, weil sie sich wohl vom Sachzwang der Stim­menop­tiomierung und Kon­turschär­fung für den Wahlkampf gezwun­gen fühlen ‑ nicht dass es ihnen wider­lich ist, nein, sich­er nicht ­­‑, das ist das mit beson­der­er Willkür betriebene Abschieben von Schutzbe­fohle­nen, von Flüchtlin­gen, die in ihren Herkun­ft­slän­dern von Ver­fol­gung und Mord bedro­ht sind. Nicht von irgendwelchen Flüchtlin­gen und Asyl- und Schutz­suchen­den. Son­dern von denen, die das ras­sis­tis­che Asyl­regime der Fes­tung Europa soweit getrieben hat, dass sie sich in Verzwei­flung und Notwehr so weit exponiert haben, dass sie zivilen Wider­stand dort üben, wo sie Schutz suchen. Da das europäis­che Asyl­regime, an dem Öster­re­ich seit Jahrzehn­ten in führen­der Rolle mitver­schärft hat. Dort aus Kriegs­ge­bi­eten flüch­t­ende Schutz­suchende, deren let­zter Ausweg vor der Selb­stauf­gabe der Wider­stand inner­halb der Fes­tung Europa ist.

Diese Muti­gen, die nichts zu ver­lieren haben und ein #refugeecamp in der Mitte unser­er Stadt aufge­baut haben, die den selbtor­gan­isierten #refugeep­rotest ein wenig in zen­tralere Ausver­hand­lungsräume unser­er Gesellschaft gebracht haben, die müssen jet­zt endgültig gebrochen und zer­stört wer­den.

Dage­gen gibt es Wider­stand, verzweifel­ten Wider­stand. Selb­st in der Mitte des Som­mer­lochs wider­ständig genug, dass es zur Ehre unser­er Gesellschaft und zur Schande unser­er Regieren­den gere­icht. Ich habe dazu in dem let­zten Jahr kaum beige­tra­gen. Bin müde, kraft­los, zer­mürbt. Ich kämpfe damit, die Zer­mür­bung nicht über meinen Wider­stand gewin­nen zu lassen.

Bei der aktuellen Peti­tion gegen die aktuellen Abschiebun­gen Stop the depor­ta­tion of the refugee activists! Stop der Abschiebung der Refugeeak­tivis­ten! an Mag.a Johan­na Mikl-Leit­ner, Innen­min­is­terin, Dr. Michael Spin­de­leg­ger, Außen­min­is­ter, Vize-Kan­zler, Mag. Johannes Rauch, Gen­er­alsekretär ÖVP, Mag. Nor­bert Dara­bos, Bun­des­geschäfts­führer SPÖ, Mag.a Bar­bara Pram­mer, Präsi­dentin des Nation­al­rates, Dr. Heinz Fis­ch­er, Bun­de­spräsi­dent, Mag. Wern­er Fay­mann, Bun­deskan­zler … die wievielte notwendi­ge und uner­müdlich zu unter­stützende in den let­zten Jahren eigentlich? … hab ich im Feld “Warum unter­schreiben Sie?” wieder ein­mal etwas drauf los getippt. Das füge ich c&p unten an.

Das war eigentlich alles, wozu ich das Keller­a­bteil kurz auf­schließen wollte. Doku­men­ta­tion von ein paar müden Zeilen. Sind jet­zt noch in paar mehr gewor­den. Trauer­ar­beit.

Ich unter­schreibe im Wider­stand gegen die Prax­en meines Staats. Ich unter­schreibe in Ohn­macht und gegen die Zer­mür­bung.

 

Meine Ohn­macht ist dabei freilich nichts gegen die Ohn­macht der Flüchtlinge, mit deren schmerzen­sre­ichen Leben, die uns bzw unserem Staat schutzbe­fohlen wären, gespielt und arm­selige, wider­wär­tige, schändliche Poli­tik gemacht wird.Meine Ohn­macht ist auch nichts gegen die der HelferIn­nen hier in der Mitte unser­er Wohl­stands­ge­sellschaft, die ihre Ressourcen an Men­schlichkeit, Empathie, Zeit, Geld und Energie in die Waagschale wer­fen, um den Flüchtlin­gen zu helfen und unseren Staat daran zu hin­dern, ver­brecherisch zu han­deln, die dage­gen ange­hen, dass unsere Regierung und Ver­wal­tung uns weit­ere Schuld und Schande auf­bürdet. Öster­re­ichs Schuld an unter­lassen­er Hil­feleis­tung. Öster­re­ichs Schuld daran, was den Deportierten von anderen weit­er ange­tan wird. Öster­re­ichs Schande der non­cha­lanten Ver­weigerung der Men­schen­rechte. Öster­re­ichs Schande der präpo­ten­ten Per­vertierung der Rechtsstaatlichkeit.

 

Ich unter­schreibe als eines der kle­in­sten Zeichen des Nicht-Mit­spie­lens bei diesem schuld­vollen und schändlichen Spiel, das die Regieren­den, die Hand­langer der Bürokratie, die exeku­tierende Polizei auf sich und unsere Gesellschaft laden. Ich stimme wie viele andere nicht zu, dass die, deren Leben wir schützen und die wir als Fre­unde, Fre­undin­nen und in unserem Staat uns Gle­ichrangige bei uns aufnehmen soll­ten, dass ihr die aus­liefert.

 

Ach ja, post skrip­tum zur Erin­nerung:

air berlin

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g|o kulturelles Gedächtnis politisch prekär SoZi Soziologie

SoZi 25|09: Aberkennung der Menschenwürde

Let­zte Woche aus­ge­fall­en, diese Woche ohne weit­ere Ein­leitung, das Son­ntagsz­i­tat (SoZi) der Woche.
Dies benötigt freilich keine beson­dere Ein­leitung des Warum, Wer, Wieso ger­ade jet­zt

Dehu­man­isierende Def­i­n­i­tio­nen des Fein­des sind nichts Neues in der Men­schheits­geschichte und schw­er­lich ein eigen­tüm­lich­es Merk­mal der mod­er­nen Zeit. Sie haben die meis­ten Kriege begleit­et, vielle­icht jeden Krieg. Während der Schlacht waren sie wahrschein­lich unverzicht­bar. Der Sol­dat mußte seine Aver­sion zu töten und zu ver­stüm­meln unter­drück­en, wenn er nicht selb­st getötet oder ver­stüm­melt wer­den wollte. [..]

Die alte Tra­di­tion, den Feind in der Schlacht zu dehu­man­isieren, die das Aufkom­men der mod­er­nen Zeit sichtlich intakt über­lebt hat, ist gle­ich­wohl, wie alles übrige, durch die mod­erne Organ­i­sa­tion und Tech­nolo­gie gründlich rev­o­lu­tion­iert wor­den. Der Wettstre­it indi­vidu­eller Fähigkeit­en in der Schlacht .. wurde durch eine Massen­ver­nich­tung aus der Ferne erset­zt. [..] Mod­erne Waf­fen erfordern eine voll­ständi­ge Aus­löschung der moralis­chen Iden­tität ihrer Opfer, bevor sie deren Kör­p­er ver­nicht­en.

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SoZi 23|09: Legitimation betrifft nicht die Massen, sondern die Kader

… gestern Nacht beim Lesen von Immanuel Waller­steins berühmter Studie über diese Pas­sage gestolpert. Sie zeigt knapp und präzis einen entschei­den­des Kri­teri­um von Macht und Legit­im­ität an, das sich wohl auch bei Max Weber nir­gends so konzis dargestellt find­et.

Der erste rel­e­vante und banal erscheinende Schritt ist, Legit­im­ität als immer par­tielle Legit­im­ität zu begreifen:

Poli­tis­che Organ­is­men sind immer sta­bil­er, sofern sie wenig­stens par­tielle Legit­im­ität erre­ichen. In den Analy­sen über den Prozeß der Legit­i­ma­tion wird das Prob­lem oft eher ver­dunkelt, weil der Blick fast auss­chließlich auf das Ver­hält­nis von Regierun­gen zu der Masse der Bevölkerung gerichtet wird.

Die daran anschließen­den Sätze sind typ­is­che Beispiele Wallerstein’scher Nüchtern­heit. Sie erscheinen sarkastisch, wie von (schwarzem?) Humor getra­gen und sind doch eher nur nüchterne, von euphemistis­chen Anflü­gen freie Darstel­lung ((ich muss bei solchen Pas­sagen trotz­dem grin­sen …)):

Es ist fraglich, ob in der Geschichte der Men­schheit sehr viele Regierun­gen von der Mehrheit der­er, die von ihren Regierun­gen aus­ge­beutet, unter­drückt und mißhan­delt wur­den, für »legit­im« gehal­ten wur­den. Die Massen mögen sich ihrem Schick­sal über­lassen oder trotzig wider­spen­stig sein, sich über ihr zeitweiliges Woh­lerge­hen wun­dern oder sich aktiv auflehnen. Regierun­gen aber wer­den in der Regel ertra­gen, wed­er geschätzt noch bewun­dert, noch geliebt, noch nicht ein­mal unter­stützt.

Es fol­gt die ana­lytis­che Dif­ferenz: